Das göttliche Dutzend
Gummiband befestigt, war er einen Sekundenbruchteil später wieder auf den Beinen. Seine Fäuste schlugen verzweifelt auf die Tür ein, und er warf einen Blick nach hinten – auf den schäumenden, nicht aufzuhaltenden Pöbel.
Mit wütenden Mienen klapperten die Verfolger weiter. Sie waren bereit; es drängte sie, den Göttern zu zeigen, was sie von ihm hielten.
Viel zu spät wurde ihnen bewußt, daß glatte marmorne Bodenfliesen einer plötzlichen Bremsung äußerst abträglich sind.
Obwohl der Pöbel längst den Rückwärtsgang eingelegt hatte, trug die Schwungkraft dazu bei, daß er fest gegen die Bambustür knallte. Scharniere, Platten und mehrere völlig überraschte Spinnen flogen aufgrund der Bugwelle der aufgebrachten Axoloten ins Innere des Prophetensaales.
Und in genau diesem Augenblick wurden die Fürbitten der vier Propheten erhört. Vier Säulen aus blendendem Aerosolquecksilber vereinigten sich zu einem Quartett gähnender, leicht verkaterter Gottheiten. Entsetzte Stille zog den Axoloten eine Zwangsjacke bestürzter Verblüfftheit an, und sie stierten auf die göttlichen Besucher.
»Na los, was wollt ihr?« grunzte eine Gottheit mit freiem Oberkörper, vor deren Nase zwei geballte Fäuste kreisten. Sie waren, wie man an ihrem Äußeren sah, bei mehreren Gelegenheiten eingerenkt worden. Alle Blicke fuhren von den knielangen Schnürstiefeln zur Stirn Nockauths, des Gottes der Kinnhaken und geplatzten Brauen. Einhundert Kinnladen sackten herab. Spekulatius grinste. Seine Gebete waren erhört worden. Jetzt sollten die undankbaren Axoloten es bloß mal wagen, Hand an ihn zu legen.
Sämtlichen uneingeladenen Gästen war völlig klar, was Spekulatius beim panischen Ausrufen seiner Fürbitten geplant hatte.
Die anderen Propheten hatten ihre jeweilige Wahl etwas pragmatischer getroffen.
Vom Boden aus musterte der Pöbel Flychtha, den Obergott des Mückemachens; Hans A. Plast, den Obermentor für Erste Hilfe und Schrammen, und den allseits beliebten Pämperl, den hymmlischen Jugendoffizier, dessen besondere Aufmerksamkeit dem Sauberhalten der Unterwäsche galt.
Urteilte man nach dem Ausdruck der Verlegenheit und des Unbehagens, das einer der Propheten zur Schau stellte, war Pämperl ein Sekündchen zu spät gekommen.
»Also? Was wollt ihr?« knurrte Nockauth, der unablässig herumtänzelte und mit seinem eigenen Schatten boxte.
Kein Axolote bekam Gelegenheit, ihm zu antworten.
Mit dem Ausruf »Hier rein! Pack sie!« warfen zwei in Decken gehüllte Teufel ein Netz durch ein Dachfenster, zogen an den Verschlußseilen und rissen das Götterquartett in einem zuckenden Bündel vom Fußboden. Mit einem angestrengten Grunzen versetzten sie ihre Beute in Schwingungen, warfen sie durch ein großes Fenster und ließen sie mit einem bemerkenswert gut eingeschätzten Kunststück sauber in ein günstig bereitstehendes Rülpsloch fallen.
Die Stalagmotte ratterte und tollte begeistert herum und bereitete ihre Asbestspinner vor.
Die beiden Deckenumhüllten schwangen sich am Ende der Seile durch das Dachfenster und sausten fast lässig durch das zerschmetterte Fenster in das Loch hinab. Ihnen folgte ein schwarzgepanzertes Lebewesen mit mehr Klauen und Beinen, als gesund für es war.
Erst als das Loch sich schloß und der rülpsende Schwefeldunst verschwand, brach im Prophetensaal ein hysterisches Gekreische aus.
Ein scharlachroter Lichtblitz zuckte aus dem steinernen Dunkel des Felsenfirmaments herab und ließ den schleimigen Kohlenwasserstoff der Schleimau sprudeln. Unbemerkt von ganz Höllien kämpfte etwas Bauchiges und Eisiges in der sausenden Entladung und starb. Was eine echte Schande war. Denn mit dem richtigen Übersetzer hätte es als materieller Zeuge sehr wichtig sein können.
Keine drei Minuten zuvor hatte es in heftigem Kopffüßerinteresse beiläufig einen Sehtentakel in Richtung Uferlinie von Tumor gewedelt.
Unerwartet lugte ein Teufel aus einer finsteren Gasse hervor, suchte die Umgebung nach Beobachtern ab, stellte zufrieden fest, daß die Luft rein war und verschwand in der Finsternis.
Sekunden später tauchte er mit einem schwarzen und geschuppten Kollegen wieder auf und beschäftigte sich damit, ein zuckendes Netz aus der Dunkelheit in Richtung einer verschlossenen Falltür auf der Straße zu zerren. Das Netz schien mit den sich wehrenden Leibern vierer bleicher und besonders eingeschnappt aussehender bärtiger Männer gefüllt zu sein.
Der erste Teufel öffnete blitzschnell die
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