Das göttliche Dutzend
scheinheilige Weise.
»Zum Mafya-Turm in Ober-Mortropolis. Ich muß dort eine Rede halten.«
»Das kann ich mir vorstellen«, grunzte Stibitz und kam sich innerlich plötzlich sehr eigenartig vor. Sein Huf zuckte unbeherrscht auf der dicken Geldkatze. »Mafya-Turm, ähm, mal sehen. Sie … ähm … Sie gehen ganz einfach geradeaus … ähm … da rüber …« Eine Schweißperle entstand auf seiner Stirn, als das scheinheilige Wölkchen sich an seinem Bein entlang nach oben bewegte. »Meiden Sie die Sackgasse dort, ähm … das Hintergäßchen, und behalten Sie das Wechselgeld … Nein, bleiben Sie auf dieser Straße, bis zur dritten links.«
In Stibitzens Kopf breitete sich eine merkwürdige Leichtigkeit aus, als er den Weg abspulte. Er hatte sich noch nie so gefühlt. Innerlich so schmutzig, so zittrig, so verlogen.
Die Börse mit den Obuli ließ die Sohle seines Hufs jucken, und er mußte sich zusammenreißen, um nichts darüber zu sagen.
Der Teufel im Stresemann schaute Stibitz fragend an. »Ist Ihnen nicht gut?« fragte er. »Ich hab einen Flachmann mit Lava-Martini dabei, falls Sie ein Schlückchen …«
»Nein, nein … Mir geht’s gut. Ich fühle mich Justiz … Ich meine, just in diesem Moment … relativ gut. Bin im Knast … Ich meine, im Moment, nur etwas ermüdet.«
Die Obuli brannten sich unlauter in seinen Huf, als das Purpurwölkchen seinen Unterleib kitzelte.
»Nun, wenn es so ist, kann ich ja gehen. Und danke, daß Sie mir den Weg gewiesen haben. Ich finde ihn jetzt ganz bestimmt.« Der Teufel im Stresemann setzte sich in Bewegung.
Stibitz hätte beinahe aufgeschrien. Er war sicher, daß sein Huf versengt war. Er schnüffelte vorsichtig und zuckte die Achseln. Dann bückte er sich, riß die kleine Geldkatze an sich und inhalierte eine große Lunge voll Frömmigkeit. Bevor er es auch nur begriff, wurde er von einer Flutwelle abscheulich ehrenhafter Güte ergriffen. Seine Finger zitterten in einem Beben der Wahrheit, sein Herz klopfte unter einer angstmachenden Masse von Sittlichkeit, sein Kopf drehte sich in kreischenden Sonetten furchteinflößender Bedenken. Die längst verkümmerte Orgel seines Gewissens trat in Aktion, riß seinen Willen an sich und ergriff mit ihm die Flucht.
Sekunden später wetzte er unbeherrscht lachend hinter dem Teufel im Stresemann her, schwenkte freudig die Börse mit der Kohle und rief: »Ähm, entschuldigen Sie, aber ich glaube, Sie haben das hier verloren! Wollen Sie es zurückhaben?«
DER DOMINUM-EFFEKT
Grobe Flüche echoten an den Innenwänden von Nabobs Höhle, als Schoysal die Reihe der sieben fest an Drehstühle gebundenen Gestalten anbellte.
»Zum siebenundfünfzigsten Mal!« raunzte er. »Wo versteckt ihr die Anti-Personen-Gebetsminen? Also los! Redet! Antwortet!«
Das Septett der Gefangenen zuckte unisono und mit überraschter Miene die Achseln.
»Antwortet!« brüllte Schoysal und schlug wütend eine geballte Klaue auf den Obsidianschreibtisch. Die auf die Gefangenen gerichtete Lavalampe machte einen gefährlichen Hopser. »Wenn ihr noch länger das Maul haltet, macht ihr es nur noch schlimmer. Ich kriege es sowieso raus! Ha! Damit kommt ihr nicht weiter. Mit eurem Leben in Axolotl ist es aus. Versteht ihr? Jetzt habe ich das Sagen! Wo sind die Anti-Personen …«
»Entschuldigen Sie«, wurde er von einer zappelnden Gestalt am Ende der Reihe unterbrochen. Ein rotes Kreuz funkelte genau an der Stelle, wo sich sein Revers befunden hätte, wären Togen damit ausgestattet gewesen. »Würde es Ihnen eventuell etwas ausmachen, die Seile ein wenig zu lockern? Sie schränken den Blutfluß meiner Handgelenke ein, und ich fürchte, es könnte eventuell zu einem permanenten Schaden füh …«
»Schnauze!« fauchte Schoysal Plast an, den Mentor für Erste Hilfe und Schrammen. »Ich werde gar nichts lockern! Ich weiß nicht mal, wieso du dir Sorgen um dein Blut machst. Hier unten braucht man so was nicht. Du bist tot!«
Plasts Augenbrauen kräuselten sich verwirrt. »Ich komme mir aber nicht sonderlich tot vor. Außerdem spüre ich ganz deutlich ein gewisses Pulsieren in meinen Gelenken. Ja, eindeutig.«
»Halt die Klappe, du hast einen Schock!« fauchte Schoysal.
»Ohhh nein! Ich glaube, Sie irren sich. Ein Schock ist eher so was wie … Nun ja, ein Schreck, und …«
»Schnauze!« brüllte Schoysal.
»… unangenehm«, beendete Pämperl den angefangenen Satz.
Dann schüttelte Plast den Kopf. Was dachte er denn da? Er war eine Gottheit,
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