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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Vollendung näherte.
    Drei Stunden später war es fertig: ein Metallkäppchen mit einem Bändchen aus Flammstabil-Hanf, das durch die Mitte verlief.
    Stibitz grinste erwartungsvoll, nahm das Band zwischen Daumen und Zeigekralle und spreizte die übrigen Krallen so ab, daß sie wie die Kakadu-Imitation eines Schattenspielers für Arme aussahen. Das gleiche tat er mit der anderen Klaue. Bebend, am Rande der Erleuchtung, schlug er die beiden perfekten Exemplare der Wendepunkt-Willi-Seelenretterzymbeln aneinander und suhlte sich in der reinen, schimmernden Note, die aus ihnen fortklang.
    In diesem Augenblick gab Stibitz alle Gedanken ans Klauen auf und hängte seine Lust an der Dieberei an den Nagel. Sein teuflisches Herz quoll im überwältigenden Glücksgefühl der Erleuchtung über. Er richtete sich auf und eilte zur Tür.
    Erst im letzten Moment blieb er stehen und zog eine hellrote Strickmütze über seine Hörner. Er wußte zwar nicht, warum er es tat, aber es kam ihm irgendwie richtig vor.
    Und so, mit fröhlich bimmelnden Krallenklingeln, trat er in die Straßen der Innenstadt hinaus – bereit, die bimmelnde Wahrheit unter all jenen zu verbreiten, die sie hören wollten.
     
    In Manna Ambrosias Restaurant war Mittagszeit, und der Lärm, die Zahl der besetzten Stühle und die Nektarmenge im Blut der meisten Gottheiten nahmen zu. Und zwar rasch.
    Schon jetzt schwirrten die engelhaften Kellnerinnen wie verrückt umher, brachten dies und jenes, rissen es vom Servierwagen und stellten es vor den sabbernden Schlünden der niedrigen Gottheiten ab.
    Es war immer das gleiche. Götterflotten eilten in Richtung Manna Ambrosia. Lümmelten sich angeberisch auf dem Rücken ihrer Silberwolken und waren willkürlich chaotisch und unbekümmert. Erstaunlicherweise kreuzten sie jeden Tag unverletzt auf. Wie sie es genau machten, wußte niemand. Und offen gesagt, es kümmerte auch kein Schwein.
    Zur Mittagszeit zählte nur eins: daß man sich den Bauch vollschlagen und sich an der schönsten Flüssigkeit ergötzen konnte, die Lyblich und Syffel im Angebot hatten, denn nachmittags schüttete man sich zu. Das Ereignis hatte nur einen Nachteil: Alle mußten warten, bis jeder an der Hohen Tafel saß; erst dann durfte reingehauen werden.
    Es war angeblich Tradition. Obwohl zahlreiche Bewohner der Niederen Tafel insgeheim mutmaßten, daß es eine elende Plackerei für die ›Heiligen Sieben‹ war, so anzugeben, wenn sie selbstgefällig auf ihre erhöhte Tischdeckenstellung zustolzierten.
    Auch wurden sie erst nach allen anderen bedient. Dies war ebenfalls Tradition. Hatte etwas damit zu tun, daß es das Beste immer zuletzt gab.
    Und so war es auch an diesem höchst gewöhnlichen Tag, nachdem Platzl, die Untergottheit in Sachen Tischbestallung, alle Anwesenden unnötigerweise an ihre Plätze geführt hatte: Die glorreichen Sieben hoben ihre Togen, grinsten dem niederen Götterpöbel zu und ließen ihre Hinterteile Platz nehmen.
    Sekunden später wurde der Servierwagen von zwei nach Luft ringenden engelhaften Kellnerinnen herangefahren und das Heilige Hymmelsbrot in ihrer Lieblingsform ausgeteilt. Als tiefgebräunte Pizza.
    Aber irgend etwas, fiel Platzl auf, stimmte nicht. Er saß an einem Tisch im Hintergrund und zählte verstohlen die Köpfe. Die Zahl kam nicht ganz hin.
    Happa, der Gott der Köstlichkeiten, lächelte gelassen, krempelte die Ärmel hoch und bereitete sich darauf vor, das uralte traditionelle Segensmantra auszustoßen: ›Achtung, fertig – fressen!‹
    Er hätte es auch diesmal getan, doch als er gerade das letzte Wort grunzen und den ersten Bissen nehmen wollte, fing er aus dem Augenwinkel den Anblick sechs einsamer Pizzen auf, die auf dem Servierwagen vor sich hinlagen.
    »Was machen die denn da?« bellte er. »Wer hat keine Pizza gekriegt?«
    Es war eine wohlbekannte Tatsache, daß jeden Tag nur soviel Pizzen gebacken wurden, wie sich Gottheiten bei Manna Ambrosia aufhielten, damit es nicht zu Küchenabfällen kam und der Bäcker mal Pause machen konnte. Es war ein System, auf das Eyfer, der Untergott der Abteilung ›Ich sorg schon dafür, daß niemand sich ärgern muß‹, rechtschaffen stolz war. »Nun?«
    Die engelhaften Kellnerinnen zuckten die Achseln, und ihre Schwingen raschelten in gefiederter Verunsicherung. Alle anderen scharrten nur nervös mit den Füßen und blickten sehnend auf die vor ihnen stehenden Tische.
    Das heißt, alle außer Platzl, der die leere Holzausdehnung neben sich anstarrte. Auf ihr

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