Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
Wahrheit sagen oder geschickter schwindeln, sonst kommt Ihnen bald jeder drauf!«
Kathleen errötete schon wieder. Selbst Claire kaute schuldbewusst auf ihrer Lippe.
»Eine … Sturmflut?«, fragte sie. »Eine Überschwemmung? Genau, wir haben nämlich am Avon gewohnt.«
Burton verdrehte die Augen. »Sie haben Glück, dass ich Ihnen nicht die Beichte abnehmen kann«, meinte er. »Ihre Freundin hier lügt nicht so schamlos. Möchten Sie mir nicht die Wahrheit erzählen, Mrs. Coltrane?«
Kathleen senkte den Kopf so tief über ihren Teller, dass ihr Gesicht kaum noch zu sehen war. »Ich … ich … also … eine Sturmflut war es ursprünglich nicht«, stammelte sie, »aber … aber es hat schon zu tun mit den Feldern am Fluss und … also auch mit einer Missernte.«
Der Reverend und Claire schauten sie gleichermaßen verständnislos an. Dann winkte Burton ab.
»Nun, ich muss das vielleicht gar nicht begreifen. Und ich sehe ein, dass ich mit dem Geständnis an der Reihe bin.« Er grinste den Frauen zu, ging dann zu seinem Bücherschrank und zog ein schmales Traktat daraus hervor. »Ich nehme an, Sie kennen das hier nicht.«
Kathleen hatte sich von der Befragung noch nicht erholt, aber Claire griff interessiert nach dem Büchlein, und Sean linste ebenfalls gleich neugierig darauf. Charles Darwin: Natürliche Selektion – Über die Neigung der Varietäten, sich unbegrenzt vom ursprünglichen Typus zu entfernen.
Claire runzelte die Stirn. »Was steht darin?«, fragte sie.
»Eine faszinierende Theorie«, meinte der Reverend mit glänzenden Augen. »Es geht um die Entstehung von Tier- und Pflanzenarten. Darwin geht davon aus, dass sich sozusagen eine aus der anderen entwickelt hat, im Laufe von vielen tausend Jahren.«
»Ja. Und?«, fragte Claire und nahm einen weiteren Schluck Wein. Sie genoss ihn sichtlich: ihr erstes Glas, seitdem sie England verlassen hatte. »Das ist wie bei der Schafzucht. Man kreuzt die eine Sorte mit der anderen, damit die Wolle schöner, aber die Schafe selbst wetterfester werden. Stimmt doch, Kathie, nicht?« Claire vergewisserte sich bei der Freundin ihrer landwirtschaftlichen Kenntnisse.
Kathleen nickte abwesend.
»Aber Mr. Darwin bezieht es auch auf den Menschen«, fuhr Burton fort.
»Auch nichts Neues.« Claire stimmte gelassen zu.»Ich bin dunkelhaarig mit braunen Augen, mein Mann hat … hatte … äh … hat …«Claire hatte inzwischen so viele Versionen ihrer Geschichte erzählt, dass sie nicht mehr genau wusste, ob sie Kathleen oder sich selbst zur Witwe erklärt hatte. »… blaue Augen und blondes Haar. Und Chloé hat schwarzes Haar und blaue Augen. Wo ist das Problem?«
Burton biss sich auf die Lippen. »Sie müssen das in größeren Dimensionen sehen, Mrs. Edmunds. Mr. Darwin meint, dass … dass der Mensch in gewisser Weise vom Affen abstammt!«
Claire runzelte die Stirn. »Ich hab mal einen Affen gesehen«, bemerkte sie. »Der war sehr niedlich. Und schon ein bisschen wie ein Mensch. Er schien auch ganz verständig, er hat das Geld des Leierkastenmanns eingesammelt.«
Reverend Burton musste wieder mal lachen. »Die Geldgier, die höher entwickelte Arten gemeinsam zu haben scheinen, ist Mr. Darwin wohl bisher entgangen.«
Claire kicherte, aber Kathleen schien kaum zuzuhören.
»Und was hat das jetzt damit zu tun, dass Sie, Reverend Peter Burton, ein Grundstück in Dunedin gegen die Freikirche Schottlands verteidigen, statt irgendwo in Canterbury zu predigen?«, fragte Claire schließlich. »So ganz leuchten mir die Zusammenhänge nicht ein.«
Burton zeigte auf das Traktat. »Ich hab darüber gepredigt«, erklärte er. »Darüber, dass dies eine ganz neue Bibelauslegung notwendig macht.«
Claire verstand. »Weil das dann nicht stimmen kann mit Adam und Eva«, meinte sie. »Aber das konnte ich mir sowieso nicht vorstellen – ich bin nicht aus irgendjemandes Rippe gemacht!« Sie warf stolz den Kopf zurück, und Burton konnte sich vor Vergnügen kaum halten.
»Womit wir uns dann schon zu zweit der Gotteslästerung schuldig gemacht hätten«, neckte er sie. »Im Gegensatz zu Ihnen, Mrs. Edmunds, besteht mein Bischof und mit ihm wohl die ganze anglikanische Kirche darauf, dass Darwin Unrecht hat und die Bibel Recht. Sie werden sich also mit der Rippe anfreunden müssen, auch wenn Ihnen der Affe sympathischer ist.«
»Aber was stört den Bischof an der neuen Auslegung?«, fragte Claire und schnupperte genüsslich an ihrem Weinglas. »Ist es nicht eigentlich egal, ob
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