Das Grab der Königin
geschlafen, wie auch Jenna Jensen, die ziemlich übernächtigt und mit roten Augen im Büro unseres Chefs hockte. Mit beiden Händen hielt sie die Kaffeetasse fest, als wollte sie sich die Haut wärmen.
Sir James hatte einen Bleistift genommen und klopfte sein gerundetes Ende im Takt auf die Schreibtischplatte. »Sie wollen tatsächlich nach Arabien?« hakte er noch einmal nach.
»Das auch, Sir«, erwiderte ich. »Iis ist zwar Arabien, aber dieser südwestliche Teil, das einstige Saba, liegt heute im Nordjemen.«
Sir James bewegte die Augenbrauen. »Ein politisch brisantes Land, wie Sie zugeben müssen.«
»Stimmt.«
»Und dort wollen Sie agieren?«
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, Sir.«
Er war noch nicht überzeugt. »Die Königin von Saba«, faßte er zusammen, um danach eine Frage zu stellen. »Wer oder was ist sie eigentlich?« Er gab sich die Antwort selbst. »Ich habe mich etwas kundig gemacht, nachdem Sie mir Bescheid gaben. Für mich ist die Königin eine Legende. Ein Zwitter. Entweder erfuhr sie höchste Sympathie oder kälteste Ablehnung. Ob dämonische Beischläferin oder Stammutter des äthiopischen Herrscherhauses, ob als bösartige Reinkarnation der ersten Frau Adams oder als vorbildliche muslimische Herrscherin, ob als Braut Christi oder Prototyp der Maria. Das sexuell-erotische Interesse hat die Figur der Königin von Saba verklärt oder verteufelt, ein erhabenes oder düsteres Bild von ihr gezeichnet. Wie wollen Sie dann in diesem Wust von Legenden und Sagen einen Weg durch das Labyrinth finden?«
»Indem wir einer Spur nachgehen, nämlich unserer.«
»Und das ist die ideale?«
»Davon.«
Sir James schüttelte den Kopf. »Sie glauben das? Aber Sie haben kein Wissen, John.«
»Nein, die Königin von Saba läuft uns nicht zum erstenmal über den Weg. Zweimal, Sir, haben wir bereits mit ihr zu tun gehabt. Stets wurde es sehr gefährlich. Beim letztenmal haben wir die Verbindung zu den Werwölfen festgestellt. Das heißt, die Wölfe kümmern sich um die Königin. Sie wollen mit ihr Kontakt aufnehmen, haben es vielleicht schon geschafft…«
»Hat sie denn gelebt?«
»Wir gehen davon aus, Sir James.« Jenna hatte die Antwort gegeben. Durch ihre schlanke Gestalt lief ein Ruck. Sie rückte die Brille zurecht, bei ihr ein Zeichen, daß sie einen Entschluß gefaßt hatte. »Sir, ich kann nur vor der Gefahr warnen.«
»Sie haben die Königin oder deren Grab auch nicht gesehen.«
»Das stimmt. Ich war nahe daran.«
»Zudem läßt Morgana Laytons Erscheinen darauf schließen, daß wir auf der richtigen Spur sind«, sagte Suko.
»Das streite ich nicht ab.« Unser Chef nickte. »Nur gefällt es mir nicht, daß Sie in den Nord Jemen wollen. Wie kommen Sie dorthin? Offiziell? Man würde uns auslachen. Eine Zeitreise wäre das beste.« Er mußte selbst über seine Worte lachen.
Ich blieb ernst. »Das stimmt, Sir. Nur wird das wohl kaum möglich sein. Myxin und Kara, die uns dabei hätten behilflich sein können, stehen nicht zur Verfügung.«
»Gut«, sagte der Superintendent. »Dann warte ich auf ihre alternativen Vorschläge.«
Suko schaute mich an, ich ihn. Keiner wollte so recht mit der Sprache herausrücken.
Sir James begriff trotzdem. »Sie haben vor, das Land illegal zu besuchen?«
»So ist es.«
»Und wie?«
»Nun ja…« Ich lächelte und hob die Schultern. »Unsere Marine könnte auch etwas tun. Kreuzen nicht einige Schiffe im Arabischen Meer, vor der Südküste der Halbinsel?«
Der Blick hinter den Brillengläsern nahm an Starrheit zu. »Das hatte ich mir fast gedacht«, flüsterte unser Chef.
»Wir könnten bis kurz an die Drei-Meilen-Zone heranfahren und in ein kleines Boot umsteigen. Bei Nacht und Nebel wäre dies sicherlich möglich. Wir würden uns dann irgendwie schon durchschlagen.«
»Außerdem kenne ich das Land ein wenig!« erklärte Jenna.
Sir James mußte sich die Schweißtropfen von der Stirn wischen. »Sie verlangen viel.«
»Nichts Unmögliches, Sir.«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
»Sie haben blendende Beziehungen«, meinte Suko. »Es wäre nicht der erste Fall, den wir auf einem etwas ungewöhnlichen Weg begonnen hätten.«
»Das stimmt.«
»Außerdem haben wir schon heimliche Operationen hinter dem Eisernen Vorhang durchgeführt«, gab ich zu bedenken.
Ob sich Sir James positiv entschieden hatte oder nicht, konnten wir nicht sagen. Jedenfalls erklärte er uns, daß wir im Büro auf eine Antwort warten möchten.
»Packt er es?« fragte Jenna
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