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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Lovecraft

    Die Fahrt nach Cape Girardeau hatte durch unbekanntes Gebiet geführt, und als sich das Licht des Spätnachmittags golden und beinahe traumhaft verfärbte, wurde mir klar, daß ich nach dem Weg fragen mußte, wenn ich die Stadt noch vor Anbruch der Nacht erreichen wollte. Ich hatte wenig Lust, im Dunkeln in diesen Niederungen Süd-Missouris umherzuirren, denn die Straßen waren schlecht und die
    Novemberkälte in meinem offenen Roadster alles andere als angenehm. Überdies ballten sich am Horizont schwarze Wolken zusammen, und so ließ ich meine Blicke über die flachen, bräunlichen Felder mit ihren langen, grauen und blauen Schatten schweifen, um vielleicht ein Haus zu entdecken, in dem mir die benötigte Auskunft zuteil werden würde.
    Es war ein einsamer, gottverlassener Landstrich, aber schließlich sah ich doch ein Hausdach aus einer Baumgruppe an einem Flüßchen zu meiner Rechten
    hervorschimmern, vielleicht eine gute halbe Meile von der Straße entfernt und wahrscheinlich über einen Pfad oder Fahrweg erreichbar, auf den ich jeden Augenblick stoßen mußte. In Ermangelung einer näheren menschlichen Behausung beschloß ich, dort mein Glück zu versuchen, und ich war erleichtert, als die Büsche am Straßenrand die Ruine eines steinernen Torbogens freigaben, der mit trockenen, abgestorbenen Schlingpflanzen bedeckt war und kaum aus dem dichten Unterholz hervorschaute, woraus sich erklären mochte, warum ich aus der Ferne den Pfad über die Felder nicht hatte ausmachen können. Mit dem Wagen konnte ich nicht hineinfahren, und so parkte ich ihn in der Nähe des Torbogens, an einer Stelle, wo er, sollte es regnen, durch immergrüne Gewächse abgeschirmt war, und stieg aus, um mich auf den langen Weg zu dem Haus zu machen.
    Während ich im zunehmenden Dämmerlicht den von Büschen überwachsenen Pfad entlang ging, machte sich ein ungutes Gefühl der Vorahnung bemerkbar, sicherlich ausgelöst durch die Auradüsteren Verfalls, die über dem Tor und dem einstigen Zufahrtsweg hing. Aus den kunstreichen Verzierungen der alten steinernen Säulen schloß ich, daß dies einst ein herrschaftliches Anwesen gewesen war, und es war deutlich zu sehen, daß stattliche Lindenbäume früher den Fahrweg zu beiden Seiten gesäumt hatten, von denen nun jedoch manche abgestorben waren, während andere noch standen, in dem hoch wuchernden Gestrüpp jedoch ihre charakteristische Gestalt verloren hatten. Kletten und Dornenranken hefteten sich an meine Kleider, während ich weiterstapfte, und ich begann mich zu fragen, ob ich denn hier überhaupt eine lebende Seele antreffen würde. Sollte sich der beschwerliche Gang womöglich als vergeblich erweisen? Einen Augenblick lang war ich versucht, kehrtzumachen und die Straße weiterzufahren, bis ich auf eine Farm stoßen würde, doch dann weckte der Anblick des Hauses vor mir meine Neugier und meine Abenteuerlust. Es war etwas Aufreizendes, Faszinierendes an dem von Bäumen umgürteten, desolaten Haus, das vor mir aufragte, denn es erinnerte mich an die Eleganz und Großzügigkeit einer vergangenen Epoche und an einen Stil, der sonst viel weiter im Süden beheimatet war. Es war ein typisches hölzernes Plantagenhaus im klassischen Stil des frühen 19. Jahrhunderts, mit zweieinhalb Stockwerken und einem hohen ionischen Portikus, dessen Säulen bis unters Dach reichten und ein Giebeldreieck trugen. Der Verfall war hier weit fortgeschritten; eine der riesigen Säulen war zerbröckelt und eingestürzt, und die obere Veranda hing schon bedenklich schief. Früher, so mutmaßte ich, hatten hier noch mehrere andere Gebäude gestanden. Als ich die breiten Steinstufen zur unteren Veranda und der von einem Bogenfeld überspannten Haustür hinaufstieg, merkte ich, wie nervös ich war, und wollte mir eine Zigarette anzünden, besann mich aber eines Besseren, als ich sah, wie trocken und leicht entflammbar alles um mich herum war. Obgleich nunmehr fest überzeugt, daß das Haus verlassen war, zögerte ich dennoch, es zu betreten, ohne vorher anzuklopfen, und so zog ich an dem verrosteten eisernen Türklopfer, bis er sich bewegen ließ, und als ich dann vorsichtig zu klopfen begann, schien das ganze Haus zu zittern und zu klappern. Es kam keine Antwort, doch ich betätigte erneut die schwere, quietschende Vorrichtung, um nicht nur einen etwaigen Bewohner der Ruine auf mich aufmerksam zumachen, sondern auch das unheimliche Gefühl der Stille und Einsamkeit zu zerstreuen. Irgendwo in der Nähe des

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