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Das große Los

Das große Los

Titel: Das große Los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Natascha gesagt? Warten Sie mal. Sagen Sie nichts. Sie waren beide wahrscheinlich beim Schminken in dem Zimmer im ersten Stock.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Irgendwas ist passiert. Ist etwa die Tür aufgegangen, die Tür, die immer zugeschlossen ist?«
    Lucy schüttelte den Kopf.
    »Ich hab’ nichts gesehen. Nur was gehört …«
    »Was denn?«
    »Ein Stöhnen. Und eine Art Wimmern, wie von einem verletzten Tier.«
    »Und was hat Natascha getan?«
    »Sie hat mir gesagt, ich soll mich beeilen und machen, daß ich nach unten komme.«
    »Sie ist oben geblieben?«
    »Ja.«
    »Und später sind Sie wieder rauf?«
    »Als zugemacht wurde, um mich wieder anzuziehen.«
    »Und da hat sie mit ihnen geredet?«
    »Sie hat mich ausgefragt, was ich mache, über meine Mutter, meinen Verlobten, und mir dann nahegelegt, nicht mehr im ›Pélican‹ zu singen. Und das mit einem Blick, daß mir himmelangst wurde. Dann hat sie noch gesagt, ich würde mit Sicherheit beschattet, jemand würde mich bestimmt umbringen wollen wie Odette Lagrange, die Sängerin vor mir.«
    »Hat sie verlangt, Sie sollen ein paar Tage auf dem Land verbringen, ohne jemand was zu verraten, auch Ihrer Mutter nicht?«
    »Genau.«
    »Und sie war’s, die Ihnen empfohlen hat, ins Haus zu gehen, aber nicht hinauf in die Wohnung, ein Weilchen zu warten, und dann wieder wegzugehen und ein Taxi zu nehmen?«
    »Weil ich kein Geld dabei hatte, hat sie mir sogar welches geliehen.«
    Lili wandte sich zu Lapointe.
    »Haben Sie begriffen?«
    Er wollte nicht zugeben, daß er nur noch Bahnhof verstand, aber von seiner Miene war das so deutlich abzulesen, daß sie laut herauslachte.
    »Wir fahren besser nach Paris zurück …«
    »Mit mir?« fragte Lucy. »Und wenn die mich umbringen?«
    »Die bringen niemand mehr um.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Lili wandte sich zu Lapointe.
    »Vielleicht kürzen Sie die Sache für uns ab und geben der Kriminalpolizei durch, sie soll das zweite Zimmer im ersten Stock durchsuchen?«
    Darauf war niemand gekommen. Das war auch nicht überraschend in Anbetracht dessen, daß das Verbrechen nicht im Lokal verübt worden und Louis zur Tatzeit dort gewesen war und man ihn folglich auch nicht als Tatverdächtigen betrachten konnte.
    »Ich wäre lieber selber hin«, seufzte Lapointe.
    »Vielleicht geht es um jede Minute.«
    Sie trank ihren Weißwein aus. Beim Einsteigen ins Taxi gab sie Lucy den Veilchenstrauß und sagte dazu:
    »Hätt’ ich’s doch glatt vergessen. Der Kriminalinspektor hat sogar daran gedacht, Ihnen Blümchen mitzubringen.«
    Sie war sehr ausgelassen, wie im Urlaub, witzelte über die Leidensmiene Lapointes, der auf dem Notsitz kauerte.
    »Glauben Sie, daß Natascha …?« setzte Lucy Perrin an.
    »Natascha hat getan, was sie konnte. Vielleicht hatte sie bei der ersten, bei Odette Lagrange, keine andere Wahl mehr.«
    »Warum?«
    »Vielleicht, weil Odette Lagrange nicht nur was gehört hat.«
    »Macht Ihnen wohl Spaß?« knurrte Lapointe und steckte sich eine Zigarette an.
    »Was?«
    »Rätseltante zu spielen und mich als Schwachkopf hinzustellen?«
    Da sie nach Paris hereinkamen, fragte der Fahrer:
    »Wo darf ich Sie absetzen?«
    »Mich am Seineufer«, sagte sie. »Die beiden anderen wollen, glaube ich, zum Quai des Orfèvres. Mein armer Vater wird sich heut mittag mit kaltem Braten begnügen müssen.«
    Sie sahen sie in einer Metzgerei verschwinden. Für sie war die Sache vorbei. Ging sie nichts mehr an. Sie kümmerte sich wieder um die kleinen Hausfrauensorgen, und heute abend brauchte sie kein zweites Mal Juliettes kleines Schwarzes überstreifen, unter den mißtrauischen Augen der Tänzerin.
    Als sie wieder in die Wohnung kam, die sich allmählich mit Sonnenlicht füllte und vom Pfeifenrauch geschwängert war, stellte ihr Justin Duclos keinerlei Fragen.
    Beim Auflegen der beiden Gedecke bekam sie Lust, mit dem Feuer zu spielen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen wegen der Lüge mit der Freundin, die sie angeblich getroffen hatte. Notlügen gingen ihr immer an die Nieren. Es war fast ein Akt der Wiedergutmachung, Justin Duclos so was wie ein Indiz zu liefern. Sollte er selber seine Schlußfolgerungen ziehen.
    »Ich glaube, daß dein Freund Berna dich bald besuchen kommt«, warf sie ihm hin, ohne ihn anzusehen.
    Er sagte bloß:
    »Wie die Zeitungen schreiben, hat es eine dritte Sängerin von der Pigalle gegeben, und die ist bis jetzt noch nicht tot.«
    Sie wiederholte sehr erleichtert:
    »Nein. Die ist noch nicht tot.«
    »Das

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