Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
flüchtig Risse, Kritzeleien und eine brüchige Mauernische erkennen ließ, in der, zu Füßen der gipsernen Jungfrau mit dem Kind in den Armen, ein Leuchter stand. José zündete die Kerze an, und in ihrem Schein zeigte der Zeitungsausschnitt die vergilbte Silhouette eines Generals, eines Degens, vieler Orden. Lituma hatte einen Koffer herbeigebracht. Er öffnete ihn, nahm eine Flasche heraus, entkorkte sie mit den Zähnen, und der Affe half ihm, vier Schnapsgläser bis zum Rand zu füllen.
    »Ich kann’s noch nicht glauben, daß ich wieder bei euch bin, Josefino«, sagte Lituma. »Ihr habt mir sehr gefehlt, ihr drei. Und meine Heimat. Auf die Freude darüber, daß wir wieder beisammen sind.«
    Sie stießen an und tranken die Gläser gleichzeitig aus.
    »Rrrrr, brennt wie Feuer!« brüllte der Affe mit tränenden Augen. »Bist du sicher, daß es nicht vierzigprozentiger Alkohol ist?«
    »Aber er ist doch so mild«, sagte Lituma. »Pisco ist für Limeños, für Weiber und Kinder, er ist nicht wie der Cañazo. Weißt du nicht mehr, wie wir Cañazo getrunken haben, als wär’s Himbeersaft?«
    »Der Affe hat noch nie richtig saufen können«, sagte Josefino.
    »Zwei Schnäpse und schon liegt er auf der Schnauze.«
    »Ich bin vielleicht schneller besoffen, aber aushalten tu ich mehr als jeder andere«, sagte der Affe. »Ich kann tagelang weitermachen.«
    »Du bist immer als erster umgekippt, Bruderherz«, sagte José. »Weißt du noch, Lituma, wie wir ihn zum Fluß geschleift und ihn durch Untertauchen wieder zu sich gebracht haben?«
    »Und manchmal ganz einfach mit Ohrfeigen«, sagte der Affe. »Deswegen hab ich wohl keinen Bart, von all den Ohrfeigen, die ihr mir gegeben habt, damit ich wieder nüchtern werd.«
    »Ich möchte einen Trinkspruch ausbringen«, sagte Lituma.
    »Erst einschenken, Vetter.«
    Der Affe packte die Pisco-Flasche, begann einzuschenken, und Litumas Gesicht wurde immer trauriger, zwei Falten verzerrten die Augenwinkel, sein Blick schien sich zu entfernen.
    »So, was ist jetzt mit dem Trinkspruch, Unbezwingbarer?« sagte Josefino.
    »Auf Bonifacia«, sagte Lituma. Und er hob das Glas, langsam.

III
    »Hör auf, dich wie ein Kind anzustellen«, sagte die Oberin. »Du hast die ganze Nacht Zeit gehabt, nach Herzenslust zu flennen.«
    Bonifacia ergriff den Trachtensaum der Oberin und küßte ihn: »Sag mir, daß Madre Angélica nicht kommt. Sag mir’s, du bist immer gut.«
    »Madre Angélica schilt dich zu Recht«, sagte die Oberin. »Du hast dich gegen Gott vergangen und hast das Vertrauen getäuscht, das wir in dich gesetzt haben.«
    »Nur damit sie nicht wieder wütend wird«, sagte Bonifacia. »Du weißt doch, wenn sie sich ärgert, wird sie immer krank, oder? Mir macht’s nichts aus, wenn sie mit mir zankt.«
    Bonifacia klatscht in die Hände, und das Geflüster der Mündel läßt nach, hört aber nicht auf, noch einmal, lauter, und sie verstummen: jetzt nur das Schleifen der Sandalen auf den Steinen des Patio. Sie öffnet den Schlafsaal, und sobald das letzte Mädchen die Schwelle überschritten hat, schließt sie ab und legt das Ohr an die Tür: es ist nicht der Lärm, der sonst herrscht, neben den häuslichen Geräuschen ist dieses dumpfe Murmeln zu hören, heimlich und aufgeregt, dasselbe, das entstand, als sie sie am Mittag zwischenMadre Angélica und Madre Patrocinio hatten kommen sehen, dasselbe, das die Oberin während des Rosenkranzes geärgert hatte. Bonifacia horcht noch einen Moment und geht dann zurück in die Küche. Sie steckt eine Lampe an, nimmt einen Blechteller voll gebratener Bananen, schiebt den Riegel der Vorratskammer zurück, tritt ein, und im Hintergrund, im Dunkeln, hört sie etwas wie davonrennende Ratten. Sie hält die Lampe hoch und blickt suchend in den Raum. Sie sind hinter den Maissäcken: ein zarter Fußknöchel, drum herum ein aus Häuten geflochtener Reif, zwei nackte Füße, die gegeneinander reiben und sich krümmen – als wollte einer den andern verstecken. Der Platz zwischen den Säcken und der Wand ist sehr eng, sie stehen sicherlich eng aneinandergepreßt, man hört sie nicht weinen.
    »Schon möglich, daß mich der Teufel versucht hat, Madre«, sagte Bonifacia. »Aber ich hab’s nicht gemerkt. Ich hab nur Mitleid gefühlt, glaub mir.«
    »Mitleid womit?« sagte die Oberin. »Und was hat das mit dem zu tun, was du getan hast, Bonifacia? Stell dich doch nicht dumm.«
    »Mit den beiden Heidenmädchen aus Chicais, Madre«, sagte Bonifacia. »Ich sprech

Weitere Kostenlose Bücher