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Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Das grüne Haus (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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glücklich sein, wenn du hier wegkannst?«
    Bonifacia hält ihnen den Blechteller hin, und sie zittern nicht, sind reglos, und beim Atmen heben sich ihre Brüste in einem gleichmäßigen und langsamen Rhythmus. Bonifacia stellt den Teller in die Reichweite des sitzenden Mädchens. Sie hat nicht aufgehört zu grunzen, halblaut, vertraulich, und auf einmal hebt sich das Köpfchen, hinter der Haarkaskade leuchten kurz zwei Lichter auf, zwei Fischlein, die zuerst die Augen Bonifacias anblicken, dann den Blechteller. Ein Arm kommt zum Vorschein und streckt sich mit unendlicher Vorsicht aus, eine furchtsame Hand zeichnet sich im Licht der Lampe ab, zwei schmutzige Finger packen eine Banane, begraben sie im Wald.
    »Aber ich bin nicht wie sie, Madre«, sagte Bonifacia. »Madre Angélica und du, ihr sagt mir doch immer, du bist der Finsternis jetzt entronnen, du bist schon zivilisiert. Wohin soll ich denn gehen, Madre? Ich will nicht wieder Heidin werden. Die Jungfrau war gut, nicht wahr? hat alles vergeben, nicht wahr? Hab Mitleid mit mir, Madre, sei gut, für mich warst du immer wie die Jungfrau Maria.«
    »Bei mir haben Schmeicheleien keinen Zweck, ich bin nicht wie Madre Angélica«, sagte die Oberin. »Wenn du glaubst, du seist zivilisiert und eine Christin, warum hast du dann die Mädchen ausreißen lassen? Warum war’s dir egal, daß sie wieder Heidinnen würden?«
    »Aber man wird sie ja finden, Madre«, sagte Bonifacia. »Du wirst schon sehen, daß die Guardias sie wieder zurückbringen. Ich kann nichts dafür, daß sie auf den Patio herausgekommen sind und wegwollten, ich hab nicht einmal richtig gemerkt, was los war, Madre, glaub mir, ich bin eine andere gewesen.«
    »Verrückt bist du gewesen«, sagte die Oberin. »Oder eine Idiotin, wenn du nicht einmal gemerkt hast, daß sie dir unter der Nase ausgerissen sind.«
    »Viel schlimmer, Madre, eine Heidin war ich wieder, aufs Haar genau wie die von Chicais«, sagte Bonifacia. »Wenn ich dran denk, krieg ich Angst, du mußt für mich beten, ich möcht bereuen, Madre.«
    Die Kleine kaut, ohne die Hand vom Mund zu nehmen, und stopft jedesmal, wenn sie hinunterschluckt, ein weiteres Stückchen gebratene Banane hinein. Sie hat die Haare aus dem Gesicht geschoben, sie umrahmen es jetzt wie zwei Bänder, und beim Kauen baumelt der Ring in ihrer Nase kaum merklich. Ihre Augen spähen nach Bonifacia, und plötzlich greift die andere Hand in das Haar der Kleinen, die an ihrer Brust kauert. Die freie Hand kommt auf den Blechteller zu, grapscht eine Banane, und der verborgene Kopf, gezwungen von der Hand, die an den Haaren zieht, dreht sich: sie hat keine durchbohrte Nase, die Lider sind zwei kleine entzündete Wülste. Die Hand senkt sich, berührt mit der Banane die zusammengepreßten Lippen, die sich noch stärker runzeln, mißtrauisch, hartnäckig.
    »Und warum bist du nicht zu mir gekommen und hast’s mir gesagt?« sagte die Oberin. »In der Kapelle hast du dich versteckt, weil du gewußt hast, daß du etwas Schlimmes angestellt hattest.«
    »Ich hab Angst gehabt, aber nicht vor dir, Madre, sondern vor mir«, sagte Bonifacia. »Es ist mir wie ein Albdrücken vorgekommen, wie sie nicht mehr zu sehen waren, und deswegen bin ich in die Kapelle gegangen. Ich hab mir eingeredet, es ist nicht wahr, sie sind nicht fort, es ist überhaupt nichts geschehen, ich hab nur geträumt. Sag, daß du mich nicht hinauswirfst, Madre.«
    »Du hast dich selbst hinausgeworfen«, sagte die Oberin. »Mit dir haben wir gemacht, was wir noch mit keiner gemacht haben, Bonifacia. Du hättest dein ganzes Leben hier in der Mission bleiben können. Aber jetzt, sobald die Mädchen zurückkommen, dürfen sie dich nicht mehr hier sehen. Mir tut’s selber leid, obwohl du dich so schlecht betragen hast. Und ich weiß, daß Madre Angélica sehr traurig sein wird. Aber im Interesse der Mission ist es notwendig, daß du gehst.«
    »Als Dienstmädchen, Madre, sonst nichts«, sagte Bonifacia. »Ich will gar nicht mehr auf die Mündel aufpassen. Ich werd fegen und die Abfälle wegbringen und Madre Griselda in der Küche helfen. Bitte, Madre, bitte!«
    Die Kleine leistet Widerstand: angespannt, die Augen zugekniffen, beißt sie sich auf die Lippen, aberdie Finger der andern bohren unnachgiebig, kämpfen mit diesem hartnäckigen Mund. Beide schwitzen von der Anstrengung, kleine Haarbüschel kleben an der schimmernden Haut. Und plötzlich öffnen sie sich: blitzschnell stecken die Finger den fast zerquetschten

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