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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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verstehen konnten.
    Einer der Lichtkegel fuhr in die Höhe. Sofort duckte ich mich zur Seite. Mein Herz raste und mein Atem ging stoßweise.
    Lange Zeit wagte ich nicht, mich zu rühren.
    Irgendwann schienen ihre Schritte sich wieder zu entfernen, doch es dauerte noch eine ganze Weile, ehe ich es wagte, wieder hinauszuspähen.
    Noch immer huschten die Lichter auf den Feldern umher. Ich dachte darüber nach, die Farm in die andere Richtung zu verlassen, doch ich wagte es nicht.
    Erst kurz bevor erstes Grau am Himmel den neuen Tag ankündigte, verschwanden die Lichter – nahezu ebenso schnell wie sie Stunden zuvor gekommen waren.
    Die Farm lag wieder völlig verlassen da. Aber erst als die Sonne bereits erste Strahlen über den Horizont schickte, getraute ich mich endlich, aus meinem Versteck hervorzukommen, und mich auf den Heimweg zu machen. Doch ich wählte den langen Weg über Osten. Für nichts auf der Welt hätte ich mich dem Maisfeld noch einmal auch nur genähert.
     
     
    Am dritten Morgen wurde das Feld schließlich niedergebrannt – und die angrenzenden dazu. Es war ein großes Spektakel, das ich mir normalerweise nicht hätte entgehen lassen. Doch meine nächtliche Begegnung steckte mir noch tief in den Knochen. Nicht einmal als mein Vater die völlig verzweifelte Familie zurück auf ihre Farm brachte, konnte ich mich dazu überwinden, seiner Aufforderung folge zu leisten, sie zu begleiten. Er nahm mir das sichtlich übel. Doch das war mir egal. Ich wünschte, ich hätte mit jemanden über meine Erlebnisse sprechen können. Aber natürlich konnte ich das nicht. Weder mit meinem Vater, noch mit Seamus. Ich hatte gegen den ausgesprochenen kirchlichen Bann verstoßen – das war ein schweres Vergehen. Ich wünschte mir sehnlicher denn je, Malcolm wäre hier.
    Meine Gedanken kreisten um die Fremden. Wer waren sie? Und dann diese eigenartigen hellen Lichter. Nie zuvor hatte ich Ähnliches gesehen. So hell und gleichmäßig.
    Ich entsann mich, was Malcolm mir einst so fasziniert erzählt hatte. Das war gewesen, nachdem wir die Truhe mit den Büchern gefunden hatten. Er hatte aufgeregt erzählt, von elektrischer Zität – nicht dass ich mir darunter irgendetwas hätte vorstellen können. Er hatte die alten Schulbücher mit ebensolcher Begeisterung studiert, wie ich die Abenteuer des Robinson Crusoe. Hatte er da nicht auch etwas erwähnt von Glaskugeln, die von den Menschen einst als Lichtquelle benutzt worden waren? Vor dem Neubeginn sollten sie sich einer Unzahl dieser und ähnlicher Wunder bedient haben. Ich wünschte, ich hätte ihm aufmerksamer zugehört. Doch ich muss zugeben, dass ich das meiste, von dem was er damals gesagt hatte, als puren Unsinn abgetan hatte. Die Sache mit dem Glaslicht war mir seinerzeit ebenso abwegig erschienen, wie die Idee mittels kleiner Schachteln, mit anderen Menschen zu sprechen, die sich viele Kilometer entfernt befänden – oder sogar in anderen Counties.  Allerdings wünschte ich nun, ich hätte eine dieser Schachteln. Dann könnte ich jetzt mit Malcolm sprechen, um ihm von meinen Erlebnissen zu berichten.

Das Feuer
     
    Lange Zeit ereignete sich nichts Nennenswertes in unserer Gemeinde. Das Leben nahm seinen gewohnten Gang und allmählich gelang es mir, das Erlebte zu verarbeiten. Schließlich fragte ich mich bereits, ob ich mir das alles nicht vielleicht nur eingebildet hatte. Der menschliche Verstand hat eben seine ganz eigenen Mechanismen, mit Erfahrungen umzugehen, die er nicht vernünftig einzuordnen im Stande ist.
    Das Christfest kam und mit ihm der erste Schnee des Jahres. Dieser schmolz aber schon bald dahin und zu Neujahr hatte es bereits wieder Tauwetter.
    Ich quälte mich im Rechnen sowie in Mutationskunde und erhielt schlechte Noten bezüglich meines Lerneifers der Unverderbten Wahrheiten. Ich beherrschte meinen Katechismus nicht – und dies rief mehr als nur allgemeines Stirnrunzeln hervor. Weshalb wurden die ersten Menschen einst aus dem Paradies vertrieben und mussten fortan auf Erden leben, in einem Land umgeben von Meer? Welches waren die sieben Todsünden, die die Menschen der Dunklen Zeit schließlich in ihren Untergang trieben? Wie lauteten die 111 Gebote der Unverderbten Wahrheit?
    Auf all diese vorgegebenen Fragen gab es eindeutige Antworten – nur ich kannte sie eben nicht! Ich geriet immer wieder ins Stocken. Doch bereits in wenigen Monaten, wenn meine Freisprechung vom Stand der Unwissenheit anstand und ich die Verantwortung eines Erwachsenen

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