Das Habitat: Roman (German Edition)
das Fenster drang warmer Sonnenschein herein. Eine Schale mit Wasser stand auf dem Tischchen neben dem Bett. An der Wand gegenüber prangte das Bild eines Heiligen, der ein Kind über einen Fluss trug. Auf der anderen Seite, direkt über der Tür, hing ein Kruzifix.
Pater O’Malley sagte irgendetwas, doch es dauerte eine Weile, bis die Worte zu meinem Verstand durchdrangen.
„Ganz ruhig, mein Junge.“
Sanft und einfühlsam klang seine Stimme.
„Was... was ist passiert? Wo bin ich hier?“
Meine Stimme klang krächzend und meine Kehle fühlte sich rau und ausgetrocknet an.
„Du bist hier im Pfarrhaus, Liam.“
Es war Miss Patricia, die geantwortet hatte. Ihre Stimme klang besorgt und voller Mitleid.
Ich versuchte, meine wirren Gedanken zu ordnen.
„Wieso bin ich hier?“
Doch noch ehe sie antworten konnte, durchfuhr mich die Erinnerung.
„Dad! Mom!“, rief ich.
Ich wollte aufspringen, doch sobald meine Beine den Boden berührten, gaben sie unter mir nach. Pater O’Malley und Miss Patricia fingen mich auf und legten mich zurück ins Bett.
„Ganz ruhig, mein Junge. Du bist drei Tage lang im Fieber gelegen. Du musst erst wieder zu Kräften kommen.“
Wie durch Nebel drang die Stimme des Paters zu mir herüber. Funken tanzten vor meinen Augen. Nur langsam lichtete sich der Schleier wieder.
„Dad!“, sagte ich. „Wo ist mein Vater? Und Mom...“
Mitleidige Blicke sahen auf mich herab. Doch ich erhielt keine Antwort.
„Die Anderen... ich habe sie gesehen!“, krächzte ich.
Dann kam mir das Feuer wieder in den Sinn. Ich sah die lodernden Flammen.
„Wo sind meine Eltern?“
Miss Patricia beugte sich über mich.
„Armer Junge. All das muss schrecklich für dich gewesen sein.“ Sie hielt mir eine Tasse vor den Mund, mit einer aromatischen, heißen Flüssigkeit.
„Trink das. Das wird helfen.“
Doch ich wollte nicht.
„Wo sind Mom und Dad? Die Anderen – haben sie ihnen etwas getan?“
Sie sah mich zärtlich an.
„Es gibt keine Anderen – wie du sie nennst. Du bist tagelang im Fieber gelegen. Es gab ein Feuer auf eurer Farm. Wahrscheinlich hat dich das Schreckliche, das du erlebt hast, so sehr mitgenommen, dass dein Verstand da einfach nicht mehr mitgemacht hat...“
„Das reicht jetzt, Patricia!“, sagte Pater O’Malley streng. „Der arme Junge ist noch immer völlig verwirrt. Lass ihn erst einmal zu Kräften kommen.“
Miss Patricia nickte gehorsam. Wieder hielt sie mir die Tasse vor den Mund.
„Trink das. Das wird dir gut tun.“
Ich nippte an der Flüssigkeit. Nach wenigen Schlucken hatte sich meine ausgetrocknete Kehle an die Flüssigkeit gewöhnt. Ich trank nun gierig und in großen Zügen. Schnell breitete sich eine wohltuende Wärme in meinem Körper aus. Bald schon spürte ich, wie mir die Augenlieder immer schwerer wurden.
Noch ein mal versuchte ich, nach meinen Eltern zu fragen, doch ich erhielt nur ausweichende Antworten.
Als ich das nächste mal erwachte war ich alleine im Raum. Es war früher Morgen. Erstes Tageslicht drang durch das Fenster herein. Im Haus war noch alles still.
Sofort stürmten die Erinnerungen wieder auf mich ein.
Dad! Mom!
Ich versuchte mich zu erheben. Diesmal gelang es mir. Zwar fühlte ich mich noch immer sehr schwach und mir zitterten die Beine – doch allmählich schienen sie sich an das Gewicht zu gewöhnen.
Ich sah mich um. Auf einem Stuhl an der Wand entdeckte ich ein paar Kleidungsstücke. Die Sachen waren frisch gewaschen, gebügelt, und sorgsam zusammengelegt. Leise zog ich mich an. Mehrmals musste ich dabei innehalten, um meinen schwachen Körper etwas Ruhe zu gönnen. Doch je mehr mein Kreislauf angeregt wurde, desto sicherer war ich auf den Beinen.
Noch immer etwas wacklig, doch mit schon festeren Schritten, schlich ich mich aus dem Haus.
Die Luft war mild und anregend. Ich lief so schnell ich es vermochte. Ich musste nach hause. Ich musste mit eigenen Augen sehen was passiert war. Nur am Dorfbrunnen machte ich kurz halt und schaufelte mit beiden Händen Wasser. Das kühle Nass rann mir die Kehle hinab und spendete mir neue Kraft.
Erstes Leben begann sich bereits zu regen, als ich die letzten Häuser des Dorfes hinter mir ließ. Die Witwe Collins trat gerade aus ihrer Tür und rief mich an. Doch ich achtete nicht auf sie.
Endlich tauchte unsere Farm in der Ferne auf. Von Weitem sah alles so aus wie immer. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon meine Eltern in der Haustür auf mich warten und mich
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