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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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zurückzulassen, als er ankündigte, dass die erste Vorstellung noch an diesem Abend auf dem Gemeindeanger stattfinden würde. Nun, diese Kinder würden bestimmt kommen, das war sicher. Zumindest jedenfalls, wenn ihre Eltern dies zuließen.
    Ein paar von ihnen liefen noch eine Weile neben dem Wagen her – das konnte ich hören –, dann rumpelte der Wagen über eine Wiese.
     
     
    Der Platz den Marten sich ausgesucht hatte, war von außen nur schwer einsehbar. Er war umgeben von Bäumen und Büschen und lag am Rande des Gemeindeangers.
    „Du kannst jetzt hervorkommen, Liam“, sagte er.
    Er führte mich ein Stück weit in das angrenzende Wäldchen. Bald erreichten wir eine alte verlassene Hütte. Das Dach war teilweise eingefallen und die Tür hing nur noch in einer Angel.
    „Hier kannst du dich während der Vorstellungen versteckt halten.“
    Ich war enttäuscht . Irgendwie hatte ich gehofft, ich könne ihn bei seinem Auftritt zur Hand gehen. Ich hatte mir vorgestellt, mir, ähnlich wie die Zirkusleute, das Gesicht bunt anzumalen, und eines jener Kostüme anzuziehen, die ich im Wagen gesehen hatte. Aber natürlich war der Gedanke eine Torheit und Marten sagte dies auch frei heraus, als ich ihn darauf hin ansprach.
    Zudem würde es nicht lange dauern und der Dorfpfarrer würde erscheinen, um die Einhaltung der Richtlinien der Unverderbtheit zu überprüfen. Ohne diese Bestätigung ging gar nichts. Und dieser Priester würde mich sehr genau betrachten. Es war also besser, wenn ich mich nicht blicken ließ.
    Zähneknirschend blieb ich also in der Hütte zurück, während Marten wieder zu seinem Wagen ging und damit begann, Vorbereitungen für die heutige Vorstellung zu treffen.
    Ich holte das Messer hervor, das Pater Finn mir geschenkt hatte, klappte es auf und begann damit, mir die Zeit zu vertreiben, indem ich trockenes Holz, dass ich hier überall fand, zu Spänen schnitzte. Die würden wir brauchen, für das Kochfeuer. In dem Korb im Wagen waren kaum noch welche. Das wusste ich.
    Anschließend ging ich um die Hütte herum und sammelte etwas Reisig, sowie ein paar Föhrenzapfen. Durch die Bäume hindurch, drang lautes Lachen und Beifallrufen zu mir herüber. Marten hatte mit seiner Vorstellung begonnen. Einen kurzen Moment lang erwog ich, mich an den Rand des Wäldchens zu schleichen, um durch die Bäume hindurch hinüberzuspähen – ließ es aber dann doch lieber bleiben.
    Plötzlich glaubte ich ein leises Knacken hinter mir gehört zu haben. Ich fuhr herum. Aufmerksam musterte ich meine Umgebung. Ich hielt den Atem an. Trieb sich etwa jemand hier herum? Das Geräusch jedoch wiederholte sich nicht. Alles blieb ruhig. Ich ging zur Hütte zurück und umkreiste sie langsam, doch nichts wies auf die Gegenwart eines Menschen hin.
    Ich entspannte mich. Wahrscheinlich hatte sich nur ein Kaninchen, oder vielleicht ein Fuchs, durch das Unterholz geschlichen. So machte ich es mir schließlich im Gras vor der Hütte bequem und wartete auf das Ende der Vorstellung.
    Erst eine ganze Weile nach Sonnenuntergang kam Marten, um mich zu holen. Wir saßen am Feuer und in einer großen Pfanne brutzelten Speck und Bohnen.
    Noch einmal stellte ich ihm unzählige Fragen. Über die Gemeinschaft der Suchenden, über den Zirkus (wobei ich versuchte, ihm meine Neugier, über alles was Sarina betraf, nicht offen merken zu lassen – er aber ließ nicht täuschen) und vor allem natürlich über die Anderen. Er beantwortete all meine Fragen geduldig und ausführlich. Dennoch erfuhr ich an diesem Abend nicht mehr wirklich viel Neues.
     
     
    Zwei Tage verbrachten wir in Mountshannon. Jedoch bekam ich nicht sonderlich viel davon zu sehen, da ich mich ja vor allen fremden Augen verborgen halten musste. Mehrmals im Laufe dieser Zeit verschwand Marten für eine halbe Stunde, oder mehr. Jedes mal kehrte er mit missmutigem Gesichtsausdruck zurück. Er schien auf irgendetwas zu warten – oder jemanden.
    Dann endlich, am Nachmittag des zweiten Tages, rief er mich zu sich.
    „Er ist da. Ich hab eben mit ihm gesprochen.“
    „Wer?“, fragte ich. Für einen kurzen Moment spielte ich mit der aberwitzigen Hoffnung, er könne meinen Vater gemeint haben. Er jedoch sagte nur:
    Der Schiffer, der dich weiter in den Westen bringen wird.
    Ich blickte ihn irritiert an. Aus irgendeinem Grund hatte ich bisher angenommen, Marten selbst würde mich zu meinem Vater bringen. Dass dem aber ganz offensichtlich nicht der Fall war, gefiel mir zwar nicht –

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