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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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überraschte mich aber nicht wirklich, wenn ich ehrlich war. Hatte er nicht davon gesprochen, er hätte hier einen wichtigen Auftrag zu erledigen? Natürlich, bei Lichte betrachtet war es Unsinn gewesen, mir einzubilden, er würde seine Aufgabe vergessen, um sich fortan nur noch um mich zu kümmern. Dennoch, es versetzte mir einen Stich.
    So führte er mich denn noch am selben Abend – lange nach Einbruch der Dunkelheit – hinunter zum Hafen. Aus einem Pub in der Nähe klang gedämpfte Musik und Grölen zu uns herüber, als wir am Ufer entlang gingen.
    „Und vergiss nicht:“, gemahnte der Puppenspieler mich noch einmal eindringlich. „Halte deine Zunge im Zaum.“
    Ich nickte. Noch einmal ging ich im Geiste durch, was Marten mir erzählt hatte. Tom O’Sheen, war einer jener Flussschiffer, die regelmäßig den River Shannon befuhren. Weder der alte Schiffer, noch einer aus seiner Mannschaft jedoch waren Mitglieder der Gemeinschaft der Suchenden. Sie wussten noch nicht einmal von deren Existenz.
    Marten hatte bereits vor Jahren Freundschaft mit dem Flussmenschen geschlossen. Dieser besorgte regelmäßig kleine Fracht– und Paketdienste für den Puppenspieler – ohne jedoch auch nur zu ahnen, dass es sich hierbei meist um gut getarnte Botschaften handelte.
    Auch diesmal hatte Marten dem Schiffer ein Paket mitzugeben. Dies war der eigentliche Grund gewesen, dass wir überhaupt nach Mountshannon gekommen waren. Dass sich somit für mich auch gleich eine Möglichkeit ergab, weiter nach Dublin zu reisen, war also nur ein glücklicher Zufall gewesen, den der Puppenspiel sofort zu nutzen verstanden hatte.
    Für Tom O’Sheen war ich nichts weiter, als ein entlaufener Junge aus einem Waisenhaus, der beschlossen hatte bei einem Flussschiffer in Lehre zu gehen. Lehrjungen auf den Schiffen waren rar gesät – zumindest diejenigen die etwas taugten, und kräftig mit anzupacken wussten.
    In Dublin sollte ich mich schließlich davon stehlen. Im dortigen Seehafen musste ich dann einen Mann namens Jack Brandon aufsuchen. Einen Fischer. Dieser würde mich alsdann mit seinem Trawler, der Gideon Brown, zu meinem Vater bringen.
    „Du weißt noch, was du zu Brandon sagen sollst?“, fragte Marten mich.
    „Natürlich.“ Ich sah ihn beleidigt an. „Ich bin doch kein Idiot! Ich werde ihm sagen: Wirf mich hinüber! Worauf er fragen wird: Wirst du dann auch stehen?“
    Marten nickte zufrieden.
    „Gut“, brummte er. „So wird er wissen, dass er dir trauen kann – so wie du wissen wirst, dass du ihm trauen kannst.“ Er sah mir tief in die Augen. „Und halte diese Losung geheim, hörst du! Nur sehr wenige Menschen kennen sie. Denn sie führt zu Douglas selbst.“
    „Du kannst dich auf mich verlassen.“
    Wir näherten uns dem Platz, da die SS Kathrina festgemacht hatte. Gelegentlich mussten wir einigen nächtlichen Passanten ausweichen. Wir wurden jedoch nicht gesehen.
    „Da ist noch etwas.“, sagte Marten zögernd. Ich sah auf.
    „Du müsstest eine Nachricht überbringen. Nur für den Fall, dass mir etwas zustoßen sollte...“
    Ich wollte etwas entgegnen. Er grinste breit.
    „Keine Angst. Ich habe nicht vor, mich erwischen zu lassen. Aber für den Fall, dass ich es dennoch nicht schaffen sollte, die Nachricht selbst weiterzuleiten, so richte deinem Vater bitte folgenden Satz aus: Folge dem Weg des heiligen Abendmahls!“
    Ich wusste mit diesen Worten nichts anzufangen. Es ergab für mich keinen Sinn. Das sagte ich ihm auch. Er aber meinte nur:
    „Die richtigen Leute werden etwas damit anzufangen wissen, glaub’ mir.“
    „Hängt es mit dem Auftrag zusammen, weswegen du unterwegs bist.“
    „Ja. Und diese Erkenntnis ist sehr wichtig. Auch wenn es dir jetzt vielleicht nicht so erscheinen mag.“
    „Ich werde es ausrichten.“, versprach ich.
    Dann erreichten wir das Schiff.

Nach Osten
     
    Der Sommer war nun vollends hereingebrochen. Und mit ihm waren die Mücken gekommen. Zumindest in Ufernähe machten sie einem oft das Leben schwer. Wir waren den River Shannon hinauf gefahren. Bis hinauf nach Shannon Harbour. Dort hatte der Fluss Verbindung zu einem Schiffskanalsystem, das bis nach Dublin führte. Das war das Ziel der SS Kathrina. Tom O’Sheen befuhr regelmäßig diese Strecke.
    Die Kanäle zogen sich nicht nur nach Westen hin, sondern verzweigten sich sogar ein ganzes Stück weit in den Norden. Selbst bis in den tiefen Süden Irlands gab es eine derartige Wasserstraße. Das Kanalsystem stammte ursprünglich noch

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