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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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Enkelsohn gar kein Kind mehr. Mit großen Augen und zwei Stühlen an den Armen steht er plötzlich vor ihr auf der anderen Seite des Schmiedezauns. Er stellt die Stühle nicht ab und sagt kein Wort. Wie die Rosen ist auch er wild in die Höhe geschossen, hat lange Glieder ausgebildet, ist spack und blass und siebenblättrig. Ob der Anzug passen wird? Als sie seinen Namen sagt, stellt er die Stühle ab und geht ins Haus. Nun stehen da zwei Stühle. Für jede Familie gibt es eine Zeit, und dann gibt es diese Zeit nicht mehr.
    Lässig erscheint ein Mann in der Tür, der die Treppenstufen lässig nimmt und lässig zum Zaun kommt, zwischen den Stühlen hindurch. Sein welliges Haar ist lang, sein Schnauzer struppig. Er trägt ein Fleischerhemd. Man muss ja nicht alles vom Vorgarten ableiten, aber auch Frank sieht verwildert aus. Lässig sagt er: »Wo kommst du denn her?«
    »Ich habe dir doch telegrafiert«, sagt sie.
    »Wann hast du mir telegrafiert.«
    »Ich habe dir telegrafiert. Ankomme ein Uhr zwo.«
    »Ja, egal«, sagt er. »Wir stecken noch mitten in den Vorbereitungen.«
    »Das sehe ich.«
    »Deine Brille ist blau.«
    So wie deine Augen, könnte sie sagen, sagt aber vernünftigerweise: »Das schont die Augen.«
    »Es geht erst am frühen Abend los, und wir dachten, du kommst morgen.«
    »Eine Hand mehr kann nicht schaden.«
    »Die Verrückten hier«, sagt er, den Kopf lachend zu der Sonnenblumenfrau drehend, die singend aus der Garage tritt, »die haben alles im Griff.«
    Die Frau winkt Frank zu und geht ins Haus, als wäre es ihr Haus. Laut und liederlich singt sie: »Fangt mich im Frack ein, schnürt mich im Sack ein – doch bringt mich pünktlich zum Altar!«
    »Ist sie das?«
    »Gott bewahre«, sagt Frank und öffnet die Pforte. »Du kannst dich ein bisschen hinlegen.« Er nimmt zwei Koffer auf.
    »Ich bin nicht müde«, sagt sie und hebt die anderen beiden an. Umarmt wird nur auf dem Bahnhof.
    Das Haus riecht fremd. Im Flur stapeln sich Kisten mit Bier und Limonade, und in der Küche stehen zwei junge Frauen am Tisch, die sie nicht kennt. Sie haben bunte Tücher um den Kopf gebunden. Durchs Fenster sieht sie, dass auf dem hinteren Rasen eine lange Tafel eingedeckt wird. Sie glaubt Cora zu erkennen.
    »Das ist meine Mutter«, sagt Frank.
    »Oh, Frau Friedrich, wie schön«, sagt die eine Frau und gibt ihr die Hand. »Ich bin die Britt.«
    »Das freut mich aber ganz besonders«, sagt die andere und gibt ihr ebenfalls die Hand. »Hatten Sie eine angenehme Reise?«
    »Ja«, sagt sie.
    »Hat man Sie nicht schikaniert an der Grenze?« Die junge Frau hat ein Puppengesicht und hält ein langes Messer in der Hand.
    »Nein.« Die Küche ist eng. Am Boiler über der Spüle leuchtet der rote Punkt.
    »Sie müssen erschöpft sein von der Tortur«, sagt die andere, die eine dunklere Stimme hat und ebenfalls mit einem langen Messer hantiert. Auf dem Tisch liegen geschälte Kartoffeln, auf der Anrichte liegt ein Käserad, unter dem Fenster stehen die Türen des Berliner Kühlschranks offen, der Muff von alten Zwiebeln und austreibenden Kartoffeln mengt sich unter den Back- und Bratenduft.
    »Ich bin nicht müde«, sagt sie. »Was kocht ihr da?«
    »Gratin, Frau Friedrich«, sagt Britt und zeigt auf Back- und Auflaufformen, die mit Milch oder Sahne gefüllt sind, und darin schwimmen wohl Kartoffelscheiben.
    »Und damit wollt ihr die Leute satt kriegen? Warum macht ihr nicht Kartoffelsalat?«
    »Es ist ja nur eine Beilage«, sagt Britt.
    »Hättest du doch was gesagt. Ich hätte Südfrüchte oder Lachs mitbringen können«, sagt sie zu ihrem Sohn.
    »Es ist doch alles da«, sagt die dunklere Frau und wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab, die, genau besehen, gar nicht ihre Schürze ist. »Wir haben sogar eine Mitternachtssuppe vorbereitet.«
    »Wie war noch gleich Ihr Name?«, fragt sie die Frau.
    »Sie können Philippa zu mir sagen.«
    »Sie sind also nicht diejenige, welche – na, die Braut eben?«
    »Nein«, freut sich Philippa, »ich bin eine Freundin.«
    »Ich bin auch eine Freundin von der Eva«, sagt die Puppengesichtige, »und von dem Frank ja inzwischen auch. Wir helfen ein bisschen, damit es ein rauschendes Fest wird. Die Eva hat sich das so sehr gewünscht, nachdem es beim ersten Mal so fürchterlich danebengegangen ist. Wir freuen uns so für sie. Und für den Frank natürlich auch.«
    »Ja«, sagt Frank, »ohne euch wären wir aufgeschmissen.«
    Nebenan lacht jemand.
    »Wo schlafe ich eigentlich?«, fragt

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