Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
Streifenwagen auf der Paint Street bei der Papierabrik und nahm den Huntington Pike nach Knockemstiff. Drei Meilen außerhalb kam er an dem kleinen Haus in Brownsville vorbei, in dem er mit seiner Schwester und seiner Mutter lebte. Im Wohnzimmer brannte Licht. Er schüttelte den Kopf und griff in die Brusttasche nach einer Zigarette. Er bezahlte den Großteil der Rechnungen, aber er hatte ihnen nach dem Ende des Militärdienstes deutlich gesagt, dass sie nicht mehr allzu lange auf ihn zählen konnten. Sein Vater war vor Jahren verschwunden; er war eines Morgens in die Schuhfabrik gegangen und einfach nicht wiedergekommen. Neulich erst hatten sie das Gerücht aufgeschnappt, er würde in Kansas City leben und in einem Poolsalon arbeiten, was durchaus sein konnte, wenn man Johnny Bodecker kannte. Nur wenn er beim Pool Anstoß hatte oder den Tisch abräumte, konnte man ihn einmal lächeln sehen. Die Neuigkeit war für seinen Sohn jedenfalls eine große Enttäuschung gewesen; nichts hätte Bodecker glücklicher gemacht als die Information, dass das Arschloch immer noch irgendwo seinen Lebensunterhalt damit verdiente, in heruntergekommenen Ziegelgebäuden mit hohen, verdreckten Fenstern Sohlen anzunähen. Ab und zu, wenn auf der Patrouille alles friedlich war, stellte sich Bodecker vor, wie sein Vater zu Besuch nach Meade zurückkehrte. In seiner Fantasie folgte er seinem alten Herrn hinaus aufs Land, wo es keine Zeugen gab, und verhaftete ihn unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand. Dann prügelte er ihm mit dem Knüppel oder dem Revolvergriff die Scheiße aus dem Leib, um ihn anschließend zur Schott’s Bridge zu bringen und ihn über die Brüstung zu werfen. Stets war in seiner Fantasie ein, zwei Tage zuvor schwerer Regen gefallen, und der Paint Creek war voll, das Wasser schnell und tief auf seinem Weg in den Scioto River. Manchmal ließ er ihn ertrinken, andere Male ließ er zu, dass er ans schlammige Ufer schwamm. Eine gute Art, die Zeit totzuschlagen.
Er zog an der Zigarette, und seine Gedanken wanderten vom Vater zu seiner Schwester Sandy. Sie war zwar gerade erst sechzehn geworden, aber Bodecker hatte ihr bereits einen Abendjob als Kellnerin im
Wooden Spoon
besorgt. Er hatte den Besitzer des Diners vor ein paar Wochen betrunken am Steuer erwischt, für den Mann das dritte Mal in einem Jahr, und eins hatte zum anderen geführt. Ehe er sichs versah, war er um hundert Dollar reicher und Sandy hatte Arbeit. Sie war in Gesellschaft anderer Menschen so schüchtern und angespannt wie ein Opossum bei Tageslicht, schon immer, und Bodecker zweifelte nicht daran, dass die ersten paar Wochen für sie die reine Folter gewesen waren, doch gestern Morgen hatte der Besitzer zu ihm gesagt, dass sie langsam den Bogen herauszubekommen scheine. Wenn Bodecker sie abends nicht nach der Arbeit abholen konnte, brachte der Koch sie heim, ein untersetzter Mann mit schläfrigen blauen Augen, der gern anstößige Bilder von Cartoonfiguren auf seine weiße papierene Kochmütze malte, und das bereitete Bodecker ein wenig Sorgen, vor allem, weil Sandy dazu neigte, bei allem mitzumachen, worum sie gebeten wurde, von wem auch immer. Nicht ein einziges Mal hatte Bodecker sie laut werden hören, und wie für so vieles andere gab er auch dafür seinem Vater die Schuld. Dennoch, so sagte er sich, war es an der Zeit zu lernen, sich einen eigenen Weg in der Welt zu suchen. Sie konnte sich ja nicht den Rest des Lebens in ihrem Zimmer verstecken und tagträumen, und je früher sie anfing, Geld heimzubringen, desto eher konnte er verschwinden. Vor ein paar Tagen war er sogar so weit gegangen, seiner Mutter vorzuschlagen, Sandy könne doch die Schule abbrechen und ganztags arbeiten, aber die alte Dame wollte davon nichts hören. »Warum denn nicht?« fragte er. »Sobald jemand merkt, wie leicht sie rumzukriegen ist, wird sie doch sowieso geschwängert, was macht es denn da schon, ob sie nun Algebra kann oder nicht?« Seine Mutter wusste nichts zu erwidern, und nun, da er die Saat gestreut hatte, musste er nur ein, zwei Tage warten und dann wieder darauf zu sprechen kommen. Es dauerte vielleicht eine Weile, aber Lee Bodecker bekam immer, was er wollte.
Lee bog rechts in die Black Run Road ein und kam zu Maudes Laden. Der Verkäufer saß auf der Bank vor dem Haus, trank Bier und unterhielt sich mit einem jungen Burschen. Bodecker stieg aus dem Streifenwagen und nahm seine Taschenlampe mit. Der Verkäufer war ein trauriger Scheißer, der schon ganz
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