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Das Handwerk des Toetens

Das Handwerk des Toetens

Titel: Das Handwerk des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Gstrein
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schüren.
    »Ich habe die dunkle Schönheit der Verse gemocht, ohne mich zu fragen, woher sie kommen«, fuhr sie fort. »Dabei hätte mir allein schon die Todessehnsucht darin unangenehm auffallen müssen.«
    Wir hatten uns im Café Prückl getroffen, und während sie dann plötzlich umschwenkte und darüber sprach, wie nahe ihr das war, sich aus erlittenen Verlusten zu definieren, versuchte ich mir darüber klar zu werden, ob das zutraf oder ob es nur ein Bild war, dem sie entsprechen wollte, ein Kokettieren mit einer naiv romantischen Phantasie. Es war etwas Vergrämtes an ihr, ein enttäuschter Mund, mühsam zurechtgeschminkt, als könnte er sonst jeden Augenblick zerfließen, hoffnungslos sehnsüchtige, wie von innen her verbrannte Augen, und als sie beim Lachen ihr Gesicht hinter einem Haarvorhang versteckte wie ein Mädchen, fragte ich mich, ob es das gab, Beleidigtsein als Haltung, beleidigt, weil ihr das eigene Fleisch im Weg stand, wie ich dachte, weil ihr die Jahre davonliefen, weil sie so oft gesagt bekommen hatte, daß sie schön war, und sie das trotzdem vor nichts bewahrte. Ich wagte kaum, sie anzusehen, traf mich doch jedesmal sofort ihr fragender Blick, saß sie aufrecht da und wartete, ein von plötzlichem Licht aufgeschrecktes Nachtwesen, blaß in ihren schwarzen Kleidern, und dann konnte ich mir fast nicht vorstellen, daß sie sich bei Allmayers Begräbnis so in Szene gesetzt haben sollte, wie Paul erzählt hatte, kaum mehr von seinem Grab wegzubringen gewesen war und am Ende beinahe einen hysterischen Zusammenbruch gemimt hätte.
    Es wurde ein unergiebiges Gespräch, weil sie fast nichts über ihn sagte, auf der Fiktionalität ihres Buches beharrte und mich abprallen ließ, als ich sie in meiner sicher voyeuristischen Neugier fragte, wann und wo sie ihn kennengelernt hatte, oder wie sie am Ende auseinandergeraten waren. Sie erwiderte nur, darum ginge es nicht, und als ich nachhakte, worum dann, meinte sie, das müßte ich schon selbst herausfinden, wenn ich wirklich mit ihr sprechen wollte. Vielleicht täuschte ich mich, aber dabei schien sie einen Zustimmung heischenden Blick zum Nachbartisch zu werfen, an dem allein ein Mann saß, der anscheinend mithörte und von Zeit zu Zeit etwas in einen vor ihm liegenden Notizblock kritzelte, so daß ich die Vorstellung nicht los wurde, er war ein Freund von ihr, der mich kontrollierte, und sie hatte ihn dort als eine Art Aufseher plaziert.
    Daher sagte ich mir auch, es war mehr für ihn als für mich, als sie noch einmal damit anfing, es habe keinen Sinn, sie nach intimen Details aus Allmayers Leben zu fragen, und dabei so laut wurde, daß er es unmöglich überhören konnte.
    »Wollen Sie wissen, ob er gut im Bett war?«
    Der Mann hatte sich jetzt hinter einer Zeitung versteckt, und ich glaubte zu merken, wie er zusammenzuckte, wurden doch seine Augen über dem Blatt sichtbar, während sie sich wie schuldbewußt auf die Unterlippe biß. Ich wußte nicht, was ich ihr entgegnen sollte, und sah ihn unverwandt an, einen knapp Sechzigjährigen mit Nickelbrille und blasiert aus der Stirn gefönter Künstlermähne, der den Mund nicht mehr zubekam und mit seinem lächerlichen Seidenschal wie ein für das Kaffeehaus zurechtgemachter französischer Fernsehphilosoph wirkte. Er schien zu fürchten, sie könnte sich zu einem seichten Geständnis versteigen, aber es war nicht das, was mich stutzig machte, sondern daß ihr meine Ironie entging, als ich doch halbherzig nickte, um wenigstens irgendeine Reaktion auf ihren Ausfall zu zeigen.
    »Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse«, sagte sie, als hätte ich sie in Bedrängnis gebracht. »Wenn Sie sich darauf versteifen, kann ich Ihnen nicht helfen.«
    Es war allzu offensichtlich, sie nahm an, daß ich nur dumme Fragen stellen konnte, stellte sie dann selbst und bekam so die Bestätigung, die sie haben wollte, um mich einmal scheinbar gekränkt, ein anderers Mal herablassend zurückweisen zu können. Da war ihr jedes Wort zu viel, als ich mich erkundigte, ob sie im Kosovo gewesen war, ihr Kopfschütteln auf mein Beharren, wie es mit ihren Plänen stand, dorthin zu fahren, und dabei blieb es auch, ja, nein, vielleicht, ein Zucken mit den Schultern, Antworten, die mundfaul und einsilbig waren. Ich wußte nicht, was sie sich von mir erwartet hatte, ob ich es ihr überhaupt hätte recht machen können, ob es wirklich an mir lag und meinem vielleicht zu direkten Vorgehen oder ob es auf das gleiche hinausgelaufen wäre,

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