Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Volkmar von Halberstadt. Er gehört zu Hennings engsten Freunden. Wir haben ihn befragt, wo Henning sich verkrochen hat, aber nichts aus ihm herausgebracht. Trotzdem. Wo Volkmar ist, ist Henning nie weit.«
»Volkmar hat geschwiegen?«, fragte sie erstaunt. »Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Ich hab ihn für einen leichtfertigen Trunkenbold gehalten.«
»Vielleicht haben wir uns beide in ihm getäuscht.«
Udo war es gewesen, der Volkmar »befragt« hatte. Udo, der Mann fürs Grobe, der einem Gefangenen die Knochen brechen und Schlimmeres antun konnte, mit derselben Konzentration und Gleichgültigkeit, mit der man ein Huhn schlachten oder Holz hacken mochte. Volkmar war in der Tat härter gewesen, als irgendwer ihm zugetraut hatte. Selbst als Udo seine Schwerthand ins Feuer hielt, hatte er nicht geredet. Nur geschrien. Dann war sein Schrei abrupt verstummt, wie abgeschnitten, und Volkmar war in sich zusammengesackt. Doch er war nicht bewusstlos, wie sie geglaubt hatten. Er war tot. Einfach so.
»Er ist gestorben, eh wir ihn zum Reden bringen konnten. Vielleicht ein schwaches Herz, glaubte Hardwin.«
»Oder die Hand Gottes«, erwiderte sie. »Volkmar war ein Eidbrecher und Verräter. Also gräm dich nicht, mein König.«
Otto wusch sich den Staub aus dem Bart. »Volkmars Tod schmerzt mich nicht, sei versichert. Aber sein Vater ist der Graf vom Harzgau. Ich nehme an, ihn darf ich nun auch zu der großen Schar meiner Todfeinde zählen.«
Sie nickte – unbesorgt. »Und was geschah dann?«
»Hermann von Schwaben stieß mit seinem Bruder Udo und seinem Vetter Konrad Kurzbold zu uns. Gute Männer, alle drei. Mit ihren Truppen waren wir zahlreich genug, um Breisach zu belagern. Und wir hätten es auch genommen. Aber nach zwei Wochen kam Bruns Nachricht vom Aufstand der Obodriten. Ich habe die Belagerung Hermann von Schwaben überlassen und bin sofort aufgebrochen.« Er ließ sich nochmals Wasser übers Haar rinnen und betrachtete missvergnügt die bräunliche Brühe, die in die Waschschüssel zurückfloss. »Ich hoffe, es war die richtige Entscheidung. Hermann kann Breisach alleine unmöglich nehmen. Ich weiß, ich werde dort gebraucht. Aber …« Er brach ab.
Editha öffnete die Truhe und suchte ihm frische Kleider heraus. Dann legte sie das Messer bereit, um ihm den Bart zu stutzen.
Otto wandte sich zu ihr um. »Ich wünschte, wir hätten Nachricht von Tugomir. Es ist seltsam. Den Verrat meines Bruders und meines Schwagers kann ich ohne besondere Bitterkeit ertragen. Aber wenn Tugomir mir jetzt in den Rücken fällt …«
Editha schüttelte entschieden den Kopf. »Gib ihm mehr Zeit. Wir können nicht erwarten, dass er innerhalb eines Monats etwas ausrichten kann und die Elbslawen befriedet. Nicht nach dem, was Gero getan hat. Hab Vertrauen zu Fürst Tugomir.«
»Ja. Du hast recht.« Einigermaßen gesäubert, aber ziemlich feucht schloss er seine Frau in die Arme und küsste sie. »Du machst mir Mut, Editha. Das ist keine geringe Leistung in finsteren Zeiten wie diesen.«
»Also, wo stehen wir?«, fragte Otto.
»Das wissen wir nicht, und genau das ist das Problem«, antwortete Wichmann Billung, der wieder einmal lieber zu Hause geblieben war, als mit dem König in den Krieg zu ziehen. »Mein Bruder Hermann hat seine Slawen einigermaßen gezähmt, aber Gero von Merseburg richtet eine Katastrophe nach der anderen an.« Was vermutlich heißen sollte: Nimm ihm die Mark und gib sie stattdessen mir, auf dass ich meine Kräfte mit denen meines Bruders vereinen kann, mutmaßte Otto.
»Die Obodriten haben sich erhoben, die Elde überschritten und Gero eine schwere Niederlage beigebracht«, berichtete Brun. »Vermutlich suchen sie jetzt bei den slawischen Stämmen weiter südlich nach Verbündeten.«
»Wenn Tugomir uns den Rücken kehrt oder gestürzt wird und die Heveller sich den Obodriten anschließen, gibt es einen Flächenbrand«, fügte Hadald hinzu. Otto hatte nicht vergessen, dass der Kämmerer dagegen gewesen war, Tugomir nach Hause zu schicken. »Schon dreimal sind Kriegerscharen der Obodriten über die Elbe gekommen und haben sächsische Dörfer überfallen. Die Grafen der Elbgaue fangen an zu murren, dass ihr König im Westen Krieg führt, statt ihre Grenzen zu schützen.«
»Aber es gibt auch gute Neuigkeiten«, sagte Brun und hielt einen Brief mit einem großen Siegel hoch. »Nachricht von Bischof Balderich. Der Bote kam vor zwei Stunden. Unser Schwager Hugo von Franzien marschiert auf Laon.
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