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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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wurde.«
    »Wie bitte?«
    Er wiederholte seine Worte.
    »Aber du hast doch gesagt …«
    »Ja.«
    »Du hast mir doch gemailt. Du hast mich gebeten, nach London zu kommen …«
    »Damit du eine Aufgabe hast. Damit du nicht ständig davonläufst.«
    Ich konnte ihn nur sprachlos ansehen.
    »Ursprünglich war das meine Idee, aber Charlie hat mich darin bestärkt. Wir dachten, wenn ich um deine Hilfe bitten, dir einen Job geben würde, würdest du schon aus Loyalität bei mir bleiben …«
    »Aber wieso?«
    »Weil irgendjemand irgendetwas unternehmen musste.«
    »Wieso?«
    »Damit du endlich aufhörst, dich selbst zu quälen, und uns alle mit dir.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Lucas. Das höre ich mir nicht an.«
    »Das musst du aber, Ella. Wir müssen deiner Flucht ein Ende bereiten. Nicht nur vor Aidan oder Jess. Vor uns allen.«
    »Das ist nicht fair, Lucas. Und das ist auch nicht wahr.«
    »Es ist wahr. Als ich Aidan letzten Monat gesehen habe, ist mir bewusst geworden, dass ich mich nicht länger aus der Sache heraushalten kann. Ich musste etwas tun.«
    »Deshalb hast du mich gebeten herzukommen?«
    Er nickte. »Wir haben auch versucht, Aidan herzuholen. Aber das ist uns noch nicht gelungen.«
    »Hierher, nach London?«
    »Ja. Aber er reagiert nicht mehr auf Charlies E-Mails. Er ist verstummt.«
    Ich zögerte. »Ist er nicht.«
    »Was?«
    Sag es ihm . »Ich habe einen Brief bekommen.«
    »Von Aidan? An diese Adresse?«
    Ich nickte. »Vor zwei Tagen.«
    »Und was schreibt er?«
    »Ich weiß es nicht.
    »Du weißt es nicht?«
    »Ich habe den Brief noch nicht gelesen.«
    Auf Lucas’ Miene erschien ein Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. Wut? Enttäuschung? »Wieso überrascht mich das nicht?«
    »Lucas, ich konnte nicht …«
    »Doch, du hättest gekonnt. Du hast es bewusst nicht getan. Du hättest all seine Briefe öffnen können. Du hättest bei ihm bleiben und ihm durch die vergangenen zwanzig Monate helfen können. Auch das hast du bewusst nicht getan. Du bestrafst ihn für etwas, woran er keine Schuld trägt. So wie du es mit Jess tust. Du bestrafst auch sie für etwas, von dem sie sich doch immer wieder wünschen muss, es wäre nicht geschehen.«
    Ich traute meinen Ohren kaum. Das Thema Aidan ignorierte ich. Ich kam gleich auf Jess zu sprechen. »Woher willst du das wissen? Hast du mal mit ihr geredet?«
    »Das ist gar nicht nötig. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es ihr ergeht.«
    »Lucas, niemand …«
    »Doch, Ella.« Er machte eine Pause. »Denn das, was Jess widerfahren ist, wäre auch mir beinahe passiert.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich brachte kein Wort heraus.
    »Hör es dir an, Ella. Es ist an dem einen Abend in Canberra passiert, als ich auf Felix aufgepasst habe. Erinnerst du dich noch? An dem Tag vor meiner Abreise? Als ich darauf bestanden hatte, dass du mit Aidan etwas trinken gehst, nur du und er?«
    Ich nickte.
    »An dem Abend ist etwas vorgefallen.«
    Ich konnte ihn nur schweigend anstarren.
    »Felix mag Obst, hast du gesagt. Vor allem Apfelsinen. Aber gib sie ihm in kleinen Stückchen, ja? Das habe ich getan. Ich habe ihn, wie du es mir gezeigt hast, in seinen Hochstuhl gesetzt, die Apfelsinenstückchen in eine Schüssel gelegt und ihm eins gegeben. Es hat ihm geschmeckt. Da habe ich ihm noch eins gegeben. Auch das hat ihm geschmeckt. Daraufhin bin ich in die Küche gegangen, um Nachschub zu holen. Und in den fünf Sekunden hat er angefangen zu würgen. Er hatte sich selbst ein Stück in den Mund gesteckt. Als ich zurückgekommen bin, war er blau angelaufen. Ich bin in Panik geraten, habe ihn aus dem Stuhl geholt, ihn kopfüber gehalten, ihm auf den Rücken geklopft und in den Mund gefasst, bis die Apfelsine herausgekommen ist, bis er geweint hat, und ich wusste, dass Gott sei Dank alles gut gegangen war.«
    Ich rührte mich nicht. Ich sagte kein Wort.
    »Zwanzig Minuten später seid ihr nach Hause gekommen.«
    Ich erinnerte mich genau. Wir hatten gestrahlt, nach zwei Drinks und einer Stunde ganz für uns allein. Wir waren nach Hause gekommen, Lucas hatte auf dem Sofa gesessen, Felix zufrieden und müde auf dem Schoß. Lucas hatte ihm vorgelesen. Ich wusste sogar noch, was. Madame Bovary von Gustave Flaubert.
    Endlich fand ich die Sprache wieder. »Warum hast du mir das nie erzählt?«
    »An dem Abend war ich viel zu bestürzt. Und am nächsten Tag bin ich schon abgereist. Ich war zu dem Entschluss gelangt, dass ihr beide das nicht wissen musstet. Aber daher weiß

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