Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
alles bestens, Ella. Ich muss mich entschuldigen. Lucas sagt, Sie waren wegen heute Morgen völlig außer sich. Dazu besteht kein Grund. Henrietta und ich lassen uns ständig scheiden. Sie fasst den Entschluss, ruft ihren Anwalt an, der erinnert sie daran, dass sie in dem Fall keinen Cent bekommt, also bleibt sie bei mir. So ist es doch, Darling, oder?«
Darling?
Henrietta nickte. Wie ein schmollendes Kind.
Dr. Samson lächelte sie an. »Wie hältst du das mit ihr aus, Lucas?«
»Das weiß der liebe Herrgott«, sagte Lucas. »Du hast dein Notizbuch, Ella? Bereit für den Heimweg?«
»Ja, bitte«, sagte ich.
Wir waren schon an der Tür, da rief mir Dr. Samson nach. Ich drehte mich um.
»Ich würde trotzdem gern Ihre Arbeitsproben sehen, Ella. Und Ihre Referenzen. Natürlich nur, falls Sie noch interessiert sind.«
»Um Himmels willen, Claude«, sagte Lucas. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich meine Nichte für dich arbeiten lasse? Dein berühmtes Projekt ist unerträglich öde und würde sie Jahre ihres Lebens kosten. Such dir einen anderen Trottel. Schön, euch beide zu sehen. Auf bald.«
Wir waren noch nicht ganz außer Hörweite, da fragte er: »Es macht dir hoffentlich nichts aus, dass ich den Job in deinem Namen ausgeschlagen habe, Ella? Glaub mir, du hättest darüber den Verstand verloren.«
Es machte mir überhaupt nichts aus, versicherte ich ihm. Ich wollte mit Henrietta und ihrem Mann möglichst wenige Berührungspunkte haben.
Als wir losgingen, wollte ich endlich alles wissen. Lucas war sehr gelassen und sehr offen. Ja, Dr. Samson hatte immer von der Affäre gewusst. Ja, von Anfang an. Ja, auch er hatte Affären. Nein, das war sicher keine konventionelle Lösung, aber sie war stimmig für sie drei. Ja, da gab mir Lucas recht, er hatte mir gegenüber die Wahrheit ein wenig flexibel gehandhabt, aber das geschah hauptsächlich wegen der Studenten. Henrietta war es lieber, wenn ihnen der eigentliche Charakter dieser Beziehung unbekannt war. Aus dem Grund blieb sie auch nur dann über Nacht, wenn die Studenten alle fort waren. Bewusst hatte Lucas nichts vor mir verborgen. Er hatte nur gedacht, dass es keine Rolle spielte, ob ich alles wusste oder nicht. Privatleben war Privatleben.
Er sah mich an. »Und, Ella, bist du nun schockiert? Enttäuscht?«
»Erstaunt?«, erwiderte ich.
»Dass Menschen unseres Alters solchen Schabernack treiben?«
Ein wenig, gab ich zu. Vor allem aber, ging mir auf, war ich erleichtert. Lucas würde nicht nach Frankreich ziehen. Nicht das Haus verkaufen. Mir war gleichgültig, ob er es mir vererben würde oder nicht. Meinetwegen konnte er es der Universität vermachen. Einem Heim für Hunde. Und das äußerte ich auch.
»Hunde?«, gab Lucas entsetzt zurück. »Wenn schon, dann für Füchse.«
»Ganz wie du willst. Es ist dein Haus. Aber darüber solltest du noch gar nicht nachdenken. So schnell wirst du uns ja nicht verlassen.«
»Ich bin dreiundsechzig, Ella. Eines Tages muss ich diese Welt verlassen. Und das Haus wird dein, ob du willst oder nicht. Ich kann es unmöglich den Hunden oder Füchsen überlassen. Stell dir vor, was die für einen Dreck machen würden. Das wäre unerträglich.« Er sah zu mir. »Weißt du, dass das heute dein erstes Lächeln war? Du hast kaum gelächelt, seit du hier bist.«
Auf der Kensington High Street war es zu laut, um sich zu unterhalten. Wir gingen in die Kensington Gardens. Zu meiner Überraschung schlug Lucas nicht den Weg zu seinem Haus ein, sondern bog nach rechts ab.
Die Bäume waren kahl, nicht die kleinste Knospe war zu sehen. In der Ferne hörte man eine Säge oder einen Rasenmäher. Vor uns bellten Hunde. Hinter uns rauschte der Verkehr. Wir gingen bis zur Serpentine, dem kleinen Teich zwischen Hyde Park und Kensington Gardens. Bei dem kalten Wind waren nur wenige Spaziergänger unterwegs. Ich stellte den Mantelkragen hoch und schob die Hände tiefer in die Taschen. Eine Böe peitschte das Wasser auf. Ich verfolgte eine Welle auf ihrem Weg ans Ufer, eine Ente schaukelte auf und nieder.
Schließlich durchbrach Lucas das Schweigen. »Erzähl mir von deiner Ehe, Ella. War es bei euch so kompliziert wie bei Claude und Henrietta? Ich hoffe nicht. Ich hatte immer geglaubt, bei euch beiden, das wäre etwas Besonders. Du und Aidan, ihr wart echte Freunde und noch so viel mehr. Du hast in seiner Gegenwart ständig gelacht. Weißt du noch?«
»Lucas …«
»Auch du hast ihn verändert. In vieler Hinsicht, und das nur zum
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