Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Mund. Isabella steht auf und wischt sich den Staub vom Kleid. Die Tür zum Kinderzimmer geht auf, und Katarina steht auf der Schwelle.
»Tut mir leid, falls wir zu laut …«, setzt Isabella an, doch Katarina hebt die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
»Mr. Seaward vom Telegrafenamt ist da, um dich zu sehen.« Sie klingt etwas verwirrt, vielleicht auch missbilligend, vor allem aber gereizt.
Isabella springt auf. Er muss Neuigkeiten von ihrer Schwester haben. Sie will nicht, dass jemand es mithört, also sagt sie zu Katarina: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, bei Xavier zu bleiben, während ich mit Mr. Seaward spreche?«
Katarina schaut den Jungen an, als hätte sie Angst vor ihm, und zwingt sich zu lächeln. »Nein, es macht mir nichts aus.« Als Isabella das Zimmer verlässt, fügt sie hinzu: »Aber nicht lange.«
Matthew wartet vor der Tür. Isabella weiß nicht, ob Katarina ihn nicht hereingebeten hat oder ob er nicht eintreten wollte. Vermutlich Letzteres. Er setzt an, ohne sie zu begrüßen. »Ich habe kein Telegramm für Sie. Es tut mir leid.«
Isabella begreift, dass er keine falschen Hoffnungen wecken will. Sie fragt mutlos: »Kein Wort?«
Er schüttelt den Kopf, breitet die Hände aus und sagt leise: »Es tut mir leid, aber Ihre Schwester wohnt nicht mehr unter dieser Adresse.«
Stille. Nein, keine Stille. Sie kann in der Ferne das Meer hören, den Wind in den Wipfeln der hohen Eukalyptusbäume, die Krähen im Garten. Und über allem hört sie das laute Hämmern des Blutes, das durch ihren Körper jagt. Das Leben legt eine Pause ein, so als würde sich alles, an das sie glaubt, in etwas Neues verwandeln. »Nicht mehr?«
»Sie muss umgezogen sein.«
»Aber warum hat sie mir das nicht gesagt?«
»Vielleicht hat sie das getan. Vielleicht hat sie Ihnen nach England geschrieben.«
So muss es sein. Vermutlich wartet der Brief in jenem Haus auf sie, das sie mit Arthur geteilt hat. »Aber wie soll ich sie jemals wiederfinden?«
Matthew will ihre Hand berühren, zieht seine aber im letzten Moment zurück. Sie spürt das Bedauern, das zwischen ihnen schwebt. »Ich tue, was ich kann, um sie zu finden.«
»Falls Sie sie nicht finden …« Trostlosigkeit steigt in ihr auf, schlägt wie eine Welle über ihr zusammen. Was soll sie machen? Wohin soll sie gehen? Sie streckt die Hände aus und tastet nach dem Türrahmen, um sich abzustützen. Sie verliert das Gleichgewicht, doch er ergreift ihre Hand und hält sie ganz fest. Er stützt sie mit seinem Griff, und sie sieht, wie sich sein Unterarm unter dem Baumwollstoff anspannt. Sie steht wieder auf eigenen Füßen, doch er lässt nicht los. Er lässt nicht los. Immer noch nicht. Seine Hitze breitet sich von ihren Fingern in ihrem ganzen Körper aus. Sie errötet. Er will die Hand wegziehen, doch sie hält seine Finger umklammert. »Lass mich nicht los«, flüstert sie.
»Ich werde sie finden«, erwidert Matthew. Er zieht sanft seine Hand weg, und diesmal lässt sie es zu. »Hab Geduld, Isabella, und verliere nicht den Mut.«
Isabella denkt an Xavier, der im Kinderzimmer auf sie wartet. Sie versucht, sich mit dem Gedanken an ihn zu wärmen, doch selbst das gelingt ihr kaum, denn wenn sie sich auf die Suche nach ihrer Schwester macht, sobald sie genügend gespart hat, wird sie ihn verlassen müssen. Sie fühlt sich verloren in der Welt. Sie schließt die Augen und spürt, wie die Zeit durch sie hindurchfließt und sie von den Füßen reißt.
»Isabella? Geht es dir gut?«
»Ich sollte zu meinem kleinen Jungen zurückgehen.« Sie wendet sich zur Tür.
» Dein kleiner Junge?«
Sie ist gereizt. »Was willst du damit sagen? Xavier liebt mich und verlässt sich auf mich.« Sie senkt die Stimme und beugt sich vor, obwohl Matthews Gesicht auf einer Höhe mit ihrem ist. »Er hat gesprochen. Mit mir. Mit niemandem sonst.«
Matthew will etwas sagen, bremst sich aber. Es ist zu spät; sie weiß, was er denkt.
»Ich bin für ihn verantwortlich. Das ist alles. Warum sollte ich ihn nicht als ›meinen‹ Jungen bezeichnen? Das schadet keinem.«
»Du hast sicher recht«, gibt er nach und senkt den Kopf. »Auf Wiedersehen. Ich sage Bescheid, sobald ich etwas höre.«
Sie schaut ihm nach, als er die Treppe hinunter-, über den Rasen und zum Tor hinausgeht. Er dreht sich nicht um.
Isabella bleibt einen Moment lang stehen, um sich zu sammeln. Ihre Gelenke fühlen sich locker an, als könnten sie sich in alle Richtungen biegen. Eine Erinnerung blitzt in ihr auf,
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