Das Haus an der Düne
versucht, sich interessant zu machen, indem er auf wunderbare Weise dem Tod entgeht, und der einem die erstaunlichsten Geschichten auftischt, die niemals passiert sind. Ja, dieser Typus ist wohl bekannt. Solche Menschen schrecken nicht einmal davor zurück, sich selbst Verletzungen zuzufügen, um die Fiktion aufrechtzuerhalten.»
«Sie glauben doch nicht…»
«Dass Mademoiselle Nick dazugehört? Nein, wahrhaftig nicht. Sie haben doch sicher bemerkt, dass wir große Mühe hatten, sie von der Gefahr zu überzeugen. Und bis zum Schluss hielt sie die Fassade von halb spöttischer Ungläubigkeit aufrecht. Die Kleine ist eine typische Vertreterin ihrer Generation. Und dennoch ist es interessant, was Madame Rice gesagt hat. Warum sollte sie so etwas äußern? Warum nur, selbst wenn es wahr wäre? Es war unnötig, geradezu ungeschickt.»
«Ja», stimmte ich zu. «Das ist wahr. Sie warf es einfach so in die Unterhaltung ein – ohne ersichtlichen Grund.»
«Ja, das ist in der Tat seltsam. Die scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten, die dennoch bedeutsam sein können. Ich liebe es, wenn sie auftauchen. Oft weisen sie den Weg.»
«Den Weg – wohin?»
«Sie legen den Finger genau auf die Wunde, mein guter Hastings. Wohin? Wohin nur? Bedauerlicherweise werden wir es erst erfahren, wenn wir dort sind.»
«Sagen Sie mir Poirot», begann ich. «Wieso bestanden Sie darauf, dass ihre Cousine zu Besuch kommt?»
Poirot blieb stehen und gestikulierte heftig mit dem Zeigefinger in der Luft herum.
«Überlegen Sie», rief er mit erregter Stimme. «Überlegen Sie doch nur einen winzigen Moment, Hastings. Unser größtes Handicap! Uns sind die Hände gebunden! Einen Mörder nach der Tat zu jagen – c’est tout simple! Jedenfalls für jemand mit meinen Fähigkeiten. Die Tat trägt sozusagen die Handschrift des Mörders. Aber hier gibt es kein Verbrechen – und wir wollen auch nicht, dass eins geschieht. Ein Verbrechen aufzudecken, ehe es begangen wird – das ist wahrlich ein seltenes Problem.
Was ist also unser höchstes Ziel? Die Sicherheit von Mademoiselle. Keine einfache Aufgabe. Beileibe nicht einfach, Hastings. Wir können sie nicht Tag und Nacht bewachen – wir können ihr als Wache nicht einmal einen uniformierten Polizisten schicken. Wir können die Nacht nicht im Schlafgemach einer jungen Dame verbringen. Die ganze Affäre strotzt nur so von Widerhaken.
Aber wir können eines tun. Wir können es dem Mörder schwer machen. Wir können erreichen, dass Mademoiselle auf der Hut ist, und wir geben ihr eine völlig neutrale Beobachterin zur Seite. Nur einem teuflisch schlauen Kopf gelänge es, diese beiden Vorkehrungen zu überwinden.»
Er machte eine Pause und sprach dann in einem ganz anderen Tonfall weiter: «Aber was ich befürchte, Hastings…»
«Ja?»
«Was ich befürchte – dass er genau das ist. Und das bereitet mir Kopfschmerzen. Ja, gewaltige Kopfschmerzen.»
«Poirot», sagte ich. «Sie machen mich ja ganz nervös.»
«Das bin auch ich. Hören Sie, mein Freund, diese Zeitung, der St. Loo Weekly Herald. Raten Sie einmal, welche Seite aufgeschlagen war? Da stand eine kleine Meldung: ‹Unter den Gästen im Hotel Majestic sind Monsieur Hercule Poirot und Captain Hastings.› Angenommen – nur angenommen, jemand hat diesen Absatz gelesen. Er kennt meinen Namen – jeder kennt meinen Namen…»
«Nicht Miss Buckley», warf ich mit einem leichten Grinsen ein.
«Sie ist ein Schussel – sie zählt nicht. Jeder ernst zu nehmende Verbrecher kennt natürlich meinen Namen. Und er hätte Angst! Er käme ins Grübeln! Er würde sich Fragen stellen. Dreimal hat er das Leben von Mademoiselle bedroht und jetzt taucht Hercule Poirot in der Umgebung auf. ‹Kann das Zufall sein?›, müsste er sich fragen. Und er hätte Angst, es könnte eben kein Zufall sein. Was würde er dann wohl tun?»
«Spuren verwischen und in Deckung gehen», schlug ich vor.
«Ja, sicher. Oder aber – wenn er wirklich tollkühn ist, würde er blitzschnell zuschlagen, ohne Rücksicht auf Verluste. Bevor ich dazu käme, auch nur irgendwelche Nachforschungen anzustellen – piff-paff und Mademoiselle ist tot. Genau das würde ein wagemutiger Mensch tun.»
«Aber wieso glauben Sie, dass außer Miss Buckley diesen Artikel noch jemand gelesen hat?»
«Miss Buckley hat ihn nicht gelesen. Als ich meinen Namen erwähnte, sagte ihr das gar nichts. Er kam ihr nicht einmal vage bekannt vor. Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert. Außerdem sagte sie
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