Das Haus an der Düne
geschehen.»
«Das ist doch auch das einzig Richtige, oder?», entgegnete Maggie. «Ich finde, es hat keinen Sinn, viel Wind um seine Gefühle zu machen – ganz gleich wie sie aussehen. Das ist nur peinlich für die anderen.» Sie machte eine Pause und fuhr mit weicher Stimme fort: «Ich mag Nick sehr. Sie war immer gut zu mir.»
Unser Gespräch wurde unterbrochen, denn in diesem Augenblick schwebte Frederica Rice in den Raum. Sie trug eine Abendrobe in dem Blau, das mittelalterliche Madonnen oft tragen, und sah darin sehr zerbrechlich und zart aus. Bald darauf folgte Lazarus und dann tänzelte Nick herein. Sie trug ein schwarzes Kleid und als Farbtupfer einen wunderschönen alten chinesischen Schal in lebhaftem Lackrot.
«Hallo, Leute», sagte sie. «Cocktails gefällig?»
Wir nahmen alle dankend an und Lazarus erhob sein Glas auf ihr Wohl.
«Das ist ein hinreißender Schal, Nick», sagte er. «Er muss sehr alt sein.»
«Ja, mein Ur-Ur-Urgroßonkel Timothy hat ihn von einer seiner Reisen mitgebracht.»
«Ein Schmuckstück – ein echtes Schmuckstück. So etwas gibt es kein zweites Mal.»
«Er wärmt sogar», meinte Nick. «Das ist praktisch während des Feuerwerks. Und er ist schön bunt – ich hasse Schwarz.»
«Ja», sagte Frederica. «Ich glaube, ich habe dich noch nie in Schwarz gesehen, Nick. Wieso gerade heute?»
«Ach, ich weiß auch nicht.» Das Mädchen wischte die Frage mit einer eleganten Geste beiseite, aber mir war ein seltsames, ja schmerzliches Kräuseln ihrer Lippen nicht entgangen. «Warum tut man überhaupt etwas?»
Wir gingen zu Tisch. Ein ominöser Hausdiener war plötzlich da – vermutlich für diesen Abend engagiert. Das Essen war mittelmäßig, der Champagner ausgezeichnet.
«George ist noch nicht aufgetaucht», sagte Nick. «Äußerst lästig, dass er gestern nach Plymouth zurück musste. Ich nehme an, er kommt im Laufe des Abends nach. Sicherlich rechtzeitig für den Ball. Ich habe einen Partner für Maggie aufgetan. Ganz ansehnlich, wenn auch nicht gerade brennend interessant.»
Ein fernes Dröhnen klang durch das Fenster.
«Ach, dieses verflixte Rennboot», klagte Lazarus. «Ich habe es wirklich satt.»
«Das ist kein Rennboot», entgegnete Nick. «Das ist ein Wasserflugzeug.»
«Ich glaube, du hast Recht.»
«Natürlich habe ich Recht. Das hört man doch.»
«Wann wirst du dir endlich dein Traummodell, die ‹Motte› anschaffen, Nick?»
«Sobald ich das Geld aufbringen kann», lachte Nick.
«Und dann machst du dich vermutlich auf und davon nach Australien, wie dieses Mädchen, wie war doch gleich ihr Name?»
«Das täte ich liebend gern…»
«Ich bewundere sie unendlich», sagte Mrs Rice mit ihrer müden Stimme. «Welcher Schneid! Und alles ganz auf sich gestellt.»
«Ich bewundere sie alle, diese Flieger», sagte Lazarus. «Hätte Michael Seton seinen Flug um die Welt erfolgreich beendet, wäre er der Held des Tages – und das mit Recht. Es ist jammerschade, dass er so ein Pech hatte. England kann es sich eigentlich nicht leisten, Männer seines Kalibers einzubüßen.»
«Vielleicht ist er ja noch am Leben», sagte Nick.
«Wohl kaum. Die Chancen stehen mittlerweile eins zu tausend. Armer ‹toller Seton›.»
«Man nannte ihn immer schon den ‹tollen Seton›, nicht wahr?», fragte Frederica. Lazarus nickte.
«Er stammt ja auch aus einer ziemlich verrückten Familie», erläuterte er. «Sein Onkel, Sir Matthew Seton – er starb vor ungefähr einer Woche – war doch verrückt für drei.»
«War das der verrückte Millionär mit den Vogelschutzgebieten?», wollte Frederica wissen.
«Genau der. Kaufte eine Insel nach der anderen auf. Er war ein Frauenhasser. Ein Mädchen muss ihm einmal übel mitgespielt haben und danach suchte er Trost in der Naturkunde.»
«Wieso sagst du, Michael Seton sei tot?», hakte Nick beharrlich nach. «Ich sehe keinen Grund, die Hoffnung aufzugeben – noch nicht.»
«Ach so, ich vergaß, du kennst ihn ja», sagte Lazarus.
«Freddie und ich lernten ihn letztes Jahr in Le Touquet kennen», erklärte Nick. «Er war einfach fabelhaft, nicht wahr Freddie?»
«Mich darfst du da nicht fragen, Darling. Er war deine Eroberung, nicht meine. Er nahm dich einmal mit in die Luft, nicht wahr?»
«Ja – in Scarborough. Es war einfach zu schön, um wahr zu sein.»
«Wie steht es mit Ihrer Flugerfahrung, Captain Hastings?», erkundigte sich Maggie in höflichem Konversationston.
Ich musste gestehen, dass sich meine gesamte Erfahrung
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