Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Gedanken an James Fuller abzubringen?. Valerie hatte zwar kein Wort mehr über ihn verloren, aber gedacht hatte sie häufig an ihn. Er war vor allem wie vom Erdboden verschwunden. Möglichst unauffällig hatte sie sich neulich bei Cecily nach deren Bruder erkundigt. Die hatte Valerie berichtet, dass James zurzeit in ihrem Geschäftshaus in Kingston arbeitete. »Ich glaube, Mutter hat ihn dazu verdonnert, damit er weit weg ist von dir«, hatte sie ungerührt hinzugefügt.
Wenn Cecilys Mutter wüsste, womit sich ihre Tochter die Zeit vertrieb, und vor allem, mit wem! Gerald Franklin war bestimmt nicht ihr Ideal von einem zukünftigen Schwiegersohn. Im Gegenteil, Valerie war sich sicher, dass sie den Umgang Cecilys mit einem Nachkommen von Maroons nicht gutheißen würde. Selbst Valerie hatte ein flaues Gefühl, wenn sie sah, wie leichtsinnig sich das junge Liebespaar benahm und vor allem, wie rasant sich die Dinge seit zwei Monaten entwickelt hatten. Cecily redete zwar nicht über Einzelheiten, aber Valerie bekam mehr davon mit, als ihr lieb war. Ihre Freundin bestand nämlich darauf, dass sie von Jerome zur Plantage gefahren wurde und dass Valerie jedes Mal gemeinsam mit dem Kutscher wartete, bis das Stelldichein vorüber war. Cecily kehrte dann mit einem verzückten Blick zur Kutsche zurück. Valerie missfiel es, dass sie dazu herhalten musste, die Anstandsdame für die Freundin zu spielen. Und das, obwohl Cecily der Mutter gegenüber behauptete, sie führe zu ihren wöchentlichen Gesangsstunden. Valerie hatte keinerlei moralische Vorbehalte gegen die aufkeimende ungleiche Liebe der beiden. Sie fühlte sich lediglich ausgenutzt. Nun hatte sie ihre Freundin zwar wieder, aber Cecily hatte allein Augen für Gerald und redete auch von nichts anderem. Sie versprach zwar hin und wieder, sich eines Tages dafür zu revanchieren, dass die Freundin ihr die Treffen mit Gerald ermöglichte. Doch das war stets nur ein kurzes Aufblitzen des Interesses an ihren Angelegenheiten, bevor sie Valerie wieder in allen Einzelheiten vorschwärmte, was Gerald für ein aufregender Mann wäre. Valerie aber blieb mit ihrem Kummer allein. So sehr sie sich auch bemühte, James wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. Deshalb konnte sie sich auch kaum auf ihren Tischnachbarn konzentrieren.
»Vally, träum nicht bei Tisch«, mahnte Grandma und riss sie damit aus ihren Gedanken. Valerie wandte sich Ethan zu und fragte ihn höflich, wieso er nach Jamaika zurückgekehrt sei.
Ethans Augen leuchteten vor Begeisterung, als er Valerie seine Motive darlegte. »Ich habe das Land meiner Kindheit nie vergessen können. Weder das Streicheln des warmen Windes auf meiner Haut noch den betörenden Duft von Jasmin. Ich sah an manchem nebeligen Londoner Tag pinkfarbene Drillingsblumen an den Häusern der Stadt emporranken. Oder im Teich des Hyde Parks das türkisfarbene Leuchten des Meeres. Ich war zwölf Jahre alt, als meine Eltern nach London zogen, und habe mir schon in dem Moment, als ich damals am Heck des Schiffes stand und Jamaika am Horizont verschwinden sah, geschworen, dass dies meine Heimat bleiben würde, in die ich eines Tages zurückkehren würde. Und nun sucht Großvater einen Nachfolger für seine Praxis. Er will im Alter lieber Cricket spielen und Blumen züchten …«
Ethan unterbrach seine Schwärmerei und warf seinem Großvater einen liebevollen Blick zu. Der aber war so in das Gespräch mit Hanne vertieft, dass er es nicht wahrnahm.
»Ich finde es wunderbar, dass Sie zurückgekehrt sind«, entfuhr es Valerie versonnen, und sie bemerkte erst an Ethans zärtlichem Blick, dass er ihre Worte mit Sicherheit missverstanden hatte. Sie hatte gemeint, dass er damit seinem Großvater große Freude bereitete.
»Ich … ich meine, das ist wunderbar, ich denke, wenn ein junger Mann wie Sie in das Land …« stammelte sie und spürte, wie sie errötete.
»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte er galant. »Wenn ich gewusst hätte, was für eine bezaubernde junge Lady in Montego Bay lebt, wäre ich noch früher gekommen.«
Valerie war sehr verlegen und zog es vor, keinerlei Erklärungsversuche mehr abzugeben. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm durch ihr Verhalten zu zeigen, dass sie ganz bestimmt nicht mit ihm anbändeln wollte. Obwohl er in ihren Augen zunehmend an Attraktivität gewann. Um ihre Unsicherheit zu verbergen, entschied sie sich für einen Themenwechsel.
»Das Schönste, was es für mich gibt, ist ein Ausritt
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