Das Haus auf den Klippen
Bildfläche erschien. Letzten
Winter, als er versuchte wieder mit ihr zusammenzukommen,
hatte sie ihm nicht gerade das Leben verschönert. Dann aber im
April rief sie ihn plötzlich an. »Fred, warum kommst du nicht
mal vorbei?« hatte sie erklärt, als wäre nichts geschehen.
War sie erst bereit, sich mit mir zufriedenzugeben, nachdem
sie Covey nicht bekommen konnte? überlegte er, als Tina gerade
in Gelächter über einen Witz ausbrach, den der Mann an der Bar
erzählt hatte.
Er hatte sie schon lange nicht mehr so lachen gehört. Sie
schien heute abend wirklich bester Laune zu sein.
Ja, das war es, erkannte er plötzlich. Obwohl sie nervös darüber war, daß sie vor Gericht aussagen mußte, war sie offenbar
gut gelaunt.
Beim Essen fragte sie ihn nach dem Ring. »Fred, ich möchte
gern den Verlobungsring tragen, wenn ich als Zeugin aussage.
Hast du ihn mitgebracht?«
»Jetzt versuchst du mir noch den Rest der Überraschung zu
verderben. Ich geb ihn dir, wenn wir bei dir zu Hause sind.«
Tina wohnte in einem möblierten Apartment über einer Autowerkstatt in Yarmouth. Sie war nicht sehr am Haushalt interessiert und hatte wenig getan, um die Wohnung persönlicher zu
gestalten, doch sie waren kaum eingetreten, als Fred auffiel, daß
mit dem kleinen Wohnzimmer irgend etwas nicht stimmte. Einige Dinge fehlten. Tina hatte eine ansehnliche Sammlung Rockmusik, aber fast alle Kassetten und CDs waren nicht mehr da.
Und dasselbe traf für das Foto von ihr mit der Familie ihres
Bruders beim Skifahren in Colorado zu.
Plante sie etwa eine Reise und erzählte ihm nichts davon?
fragte sich Fred. Und falls ja, fuhr sie dann alleine?
15. August
80
M
enley wachte im Morgengrauen von dem Geräusch eines
leisen Schluchzens auf. Sie richtete sich auf einen Ellenbogen auf und lauschte angestrengt. Nein, das muß eine Seemöwe sein, dachte sie. Die Vorhänge bewegten sich flatternd,
und der Wohlgeruch der frischen Meerluft erfüllte den Raum.
Sie ließ sich wieder auf ihr Kopfkissen sinken. Adam schlief
ganz fest und schnarchte ein wenig. Menley fiel etwas ein, was
ihre Mutter vor Jahren gesagt hatte. Sie hatte gerade eine Ratgeberspalte von irgendeiner Seelentante in der Zeitung gelesen,
und eine Frau hatte sich in ihrem Leserbrief darüber beschwert,
sie könne nachts nicht schlafen, weil ihr Mann schnarche. Die
Antwort darauf war, daß für manche Frauen das Schnarchen
eines Ehemanns das willkommenste Geräusch auf der Welt wäre. Man brauchte nur irgendeine Witwe zu fragen.
Ihre Mutter hatte dazu bemerkt: »Ist das nicht wirklich
wahr?«
Mom hat uns alleine großgezogen, dachte Menley. Ich habe
nie aus eigener Erfahrung miterlebt, wie Menschen, die glücklich verheiratet sind, miteinander umgehen. Ich habe nie erlebt,
wie es ist, wenn Eheleute Schwierigkeiten angehen und sie gemeinsam meistern.
Warum denke ich gerade jetzt daran? fragte sie sich. Kommt
es daher, daß ich allmählich eine Verletzlichkeit in Adam erkenne, von der ich vorher gar nichts wußte? In gewisser Weise
habe ich ihn immer mit Glacehandschuhen angefaßt. Er ist der
attraktive, erfolgreiche, gerngesehene Mann, der jede beliebige
Frau hätte haben können, aber ich war es, die er dann bat, seine
Frau zu werden.
Sie begriff, daß es sinnlos war, wenn sie versuchte, wieder
einzuschlafen. Sie schlüpfte aus dem Bett, griff nach ihrem
Morgenrock und den Hausschuhen und schlich auf Zehenspitzen
aus dem Zimmer.
Hannah machte nicht den Eindruck, als ob sie bald aufwachen
würde, und so ging Menley geräuschlos die Treppe hinunter und
ins Bibliothekszimmer. Mit etwas Glück hatte sie vielleicht zwei
Stunden, bevor Adam und Hannah den Tag begannen. Sie
schlug einen neuen Ordner auf.
Als sie halbwegs durch war, stieß sie auf ein Bündel aneinandergehefteter Papiere, die mit Schiffsunglücken zu tun hatten.
Über einige davon hatte sie schon gelesen, wie zum Beispiel den
Untergang des Piratenschiffs Whidaw im Jahr 1717. Die Mooncussers hatten die gesamte Ladung geraubt.
Und dann entdeckte sie einen Hinweis auf Tobias Knight:
»Die umfassendste Durchsuchung aller Häuser nach Diebesgut
vor der Whidaw passierte, als die Thankful 1704 vor der Küste
von Monomoy zu Bruch ging.« Phoebe hielt fest: »Tobias
Knight wurde zum Verhör nach Boston gebracht. Sein Ansehen
geriet immer mehr ins Zwielicht, und er stand im Verdacht, ein
Mooncusser zu sein.«
Die nächste Seite enthielt einen Bericht über den Untergang
von Kapitän Andrew
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