Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
vor, zu Hause zu bleiben«, erwiderte Miranda, »und im Garten zu arbeiten.« Sie lächelte ein wenig, als keine Reaktion kam. »Mein Zwangsurlaub gibt mir die Zeit, ein Hobby aufzubauen. Das soll gut für die Seele sein.«
»Das habe ich auch gehört. Ich freue mich, daß du deine Zeit produktiv nutzen willst, statt zu grübeln. Sag Andrew bitte, er soll mich so bald wie möglich über den Stand der Nachforschungen bei euch unterrichten. Vielleicht komme ich für kurze Zeit vorbei, und dann hätte ich gern einen kompletten Bericht über alles, was mit dem David zusammenhängt.«
Ich werde ihn warnen. »Das versteht er sicher.«
»Gut. Auf Wiedersehen, Miranda.«
»Auf Wiedersehen, Mutter.«
Sie legte auf. Dann saß sie da und starrte vor sich hin, bis sie merkte, daß Ryan hereingekommen war. »Sie hat mich minutenlang getäuscht. Ich habe schon fast geglaubt, daß sie menschlich sein kann. Sie klang wirklich traurig, als sie mir das von Giovanni erzählte. Aber noch bevor sie damit fertig war, war sie wieder ganz die alte. Ich soll nicht kommen, weil meine Anwesenheit bei Giovannis Beerdigung zuviel Unruhe verursachen würde.«
Im ersten Impuls wollte Miranda sich versteifen, als er ihr die Hände auf die Schultern legte. Das allein machte sie schon wütend. Sie schloß die Augen und zwang sich, sich unter seinem Griff zu entspannen. »Sie hat mich angewiesen, Andrew über meinen Aufenthaltsort zu informieren, falls ich wieder wegfahren sollte. Und ich soll ihm ausrichten, er möge sie so bald wie möglich darüber informieren, wie weit die Polizei hier mit ihren Nachforschungen ist.«
»Sie hat im Moment viel um die Ohren, Miranda. Wie ihr alle.«
»Und wenn deine Familie in einer Krise steckt, was tut sie dann?«
Er drehte sie mit ihrem Schreibtischstuhl zu sich herum und kniete sich vor sie. »Deine Familie und meine sind nicht miteinander
zu vergleichen. Du kannst nicht erwarten, daß deine Leute genauso reagieren.«
»Stimmt. Meine Mutter ist immer und jederzeit die Direktorin. Mein Vater bleibt auf Distanz und hält sich aus allem heraus, und Andrew ertränkt sich im Alkohol. Und was tue ich? Ich ignoriere alles so lange wie möglich, damit nur nichts meine Routine stört.«
»Das sehe ich nicht so.«
»Du hast nur einen winzigen Ausschnitt kennengelernt, nicht das ganze Bild.« Sie schob ihn beiseite, damit sie aufstehen konnte. »Ich gehe jetzt joggen.«
»Miranda.« Ryan packte sie am Arm, bevor sie aus dem Zimmer eilen konnte. »Wenn es dir egal wäre, wenn es für dich keine Bedeutung hätte, wärst du nicht so traurig.«
»Ich bin nicht traurig, Ryan, nur resigniert.« Sie schüttelte seine Hand ab und ging hinaus, um sich umzuziehen.
Sie lief nicht oft. Schnelles Gehen war ihrer Meinung nach ein sinnvolleres und gesitteteres Training. Wenn sich jedoch die Emotionen zu einer unerträglichen Spannung aufgebaut hatten, mußte sie einfach laufen.
Sie entschied sich für den Strand unterhalb der Klippen, weil sie dort nahe am Wasser laufen konnte und die Luft frisch war. Sie wandte sich nach Norden. Die Gischt sprühte funkelnd im Sonnenschein, und Möwen kreischten über ihr.
Als ihre Muskeln warm geworden waren, zog sie ihre leichte Jacke aus und warf sie achtlos beiseite. Niemand würde sie stehlen. Die Verbrechensrate ist niedrig in Jones Point, dachte sie, und ihr Magen zog sich leicht zusammen.
Auf der dunkelblauen Wasseroberfläche tanzten orangefarbene Bojen. Ein kurzer Pier ragte ins Meer, unbenutzt, weil weder sie noch Andrew segelten. Weiter draußen am Horizont waren Boote zu sehen.
Miranda lief die Bucht entlang und achtete nicht darauf, daß ihre Waden und ihr Brustkorb brannten, daß sich Schweiß zwischen ihren Brüsten sammelte.
Ein Hummerkutter dümpelte in der Brandung. Ein Fischer mit hellroter Kappe kontrollierte seinen Fang. Er hob die Hand und winkte, und bei dieser einfachen Geste eines Fremden
traten ihr die Tränen in die Augen. Sie winkte zurück, dann blieb sie stehen, stützte die Hände auf die Knie und zwang sich, ruhiger zu atmen.
Sie war zwar nicht weit gelaufen, aber mit Sicherheit zu schnell. Sie hatte ihren Rhythmus nicht eingehalten. Alles geschah im Moment viel zu schnell. Sie konnte kaum Schritt halten mit den Ereignissen, wagte aber auch nicht, das Tempo zu verlangsamen.
Und sie wußte noch nicht einmal, wohin die Reise ging.
In ihrem Haus befand sich ein Mann, den sie erst seit ein paar Wochen kannte. Ein Dieb, höchstwahrscheinlich ein Lügner
Weitere Kostenlose Bücher