Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
»Wegen der Form, der Größe und der Dicke.«
»Danke, Stanley.« Miranda drehte sich zu Ryan um und wäre fast mit ihm zusammengestoßen, da er nähergetreten war. Sie trat sofort zur Seite, aber es war ihr trotzdem aufgefallen, daß er fast einen Kopf größer war als sie. Sein amüsierter Blick ließ ihn äußerst sexy wirken.
Wieder machte es ping in ihrem Kopf.
»Wir sind in erster Linie ein Kunstinstitut, aber da das Interessengebiet meines Vaters die Archäologie ist, haben wir auch eine Abteilung, in der wir Artefakte ausstellen, und wir übernehmen hier auch zahlreiche Tests und Datierungen. Es ist allerdings nicht mein Gebiet. Und nun...«
Miranda ging zu einem Schrank, öffnete eine Schublade und zog eine kleine, braune Tasche hervor. Sie legte die winzigen farbigen Teilchen, die sich darin befanden, auf einen Objektträger und schob ihn unter ein unbenutztes Mikroskop.
»Sehen Sie mal hindurch«, forderte sie ihn auf. »Sagen Sie mir, was Sie sehen.«
Er beugte sich vor und stellte die Linse ein. »Farbe, Form, ganz interessant – eher wie ein Bild von Pollock.« Er richtete sich wieder auf und blickte sie mit seinen cognacfarbenen Augen an. »Was habe ich gesehen, Dr. Jones?«
»Farbproben von einem Bronzino, den wir gerade restaurieren. Die Farbe ist fraglos sechzehntes Jahrhundert. Wir nehmen zur Sicherheit je eine Probe, bevor wir mit der Arbeit beginnen und nachdem wir die Arbeit beendet haben. So kann es keinen Zweifel daran geben, daß wir ein echtes Werk erhalten haben, und ebenso gibt es keinen Zweifel daran, daß wir den Besitzern nach der Fertigstellung dasselbe Werk wieder zurückgeben.«
»Woher wissen Sie, daß die Farbe aus dem sechzehnten Jahrhundert stammt?«
»Möchten Sie eine Unterrichtsstunde in wissenschaftlicher Arbeit erhalten, Mr. Boldari?«
»Sagen Sie Ryan zu mir – dann kann ich Sie auch beim Vornamen nennen. Miranda ist ein so hübscher Name.« Seine Stimme klang wie warme Sahne über Whiskey und machte sie ganz nervös. »Und mit der richtigen Lehrerin würde mir diese Unterrichtsstunde sicher Spaß machen.«
»Dann müssen Sie sich zum Unterricht anmelden.«
»Arme Studenten nehmen besser Einzelunterricht. Essen Sie doch bitte heute mit mir zu Abend.«
»Ich bin nur eine mittelmäßige Lehrerin.«
»Gehen Sie trotzdem mit mir essen. Wir können über Kunst und Wissenschaft diskutieren, und ich kann Ihnen von den
Vasaris erzählen.« Er verspürte den Drang, die Hand zu heben und diese unordentlichen Locken, die ihr Gesicht umrahmten, zu berühren. Aber sie würde wahrscheinlich zurückschrecken wie ein Kaninchen. »Wir bezeichnen es einfach als Geschäftsessen, wenn Ihnen dabei wohler ist.«
»Mir ist nicht unwohl.«
»Nun gut. Dann hole ich Sie um sieben ab. Wissen Sie«, fuhr er fort und griff wieder nach ihrer Hand, »ich würde zu gern diesen Bronzino sehen. Ich bewundere die formale Klarheit in seinem Werk.«
Bevor Miranda noch überlegen konnte, wie sie ihm ihre Hand entziehen sollte, hatte er sie bereits untergehakt und zog sie zur Tür.
6
Sie wußte nicht, warum sie diesem Abendessen zugestimmt hatte. Allerdings, wenn sie genauer über das Gespräch nachdachte, hatte sie eigentlich gar nicht zugestimmt. Aber das erklärte nicht, warum sie sich jetzt zum Ausgehen umzog.
Er ist ein Geschäftspartner, rief sie sich ins Gedächtnis. Die Galerie Boldari hatte wegen ihrer Eleganz und Exklusivität einen hervorragenden Ruf. Das einzige Mal, als Miranda sich bei einem ihrer Besuche in New York eine Stunde freimachen konnte, um sie sich anzusehen, war sie von der zurückhaltenden Pracht des Gebäudes ebenso beeindruckt gewesen wie von den dort ausgestellten Kunstwerken.
Es würde dem Institut wohl kaum schaden, wenn sie die Beziehung zwischen einer der großartigsten Galerien des Landes und dem Unternehmen der Jones etwas fester knüpfte.
Boldari wollte mit ihr essen gehen, um mit ihr übers Geschäft zu reden. Sie würde schon dafür sorgen, daß sich alles nur ums Geschäft drehte. Auch wenn sein Lächeln ihr Herz höher schlagen ließ.
Wenn er mit ihr flirten wollte, gut. Flirten machte ihr nichts aus. Sie war schließlich nicht so leicht zu beeindrucken. Männer, die aussahen wie Ryan Boldari, waren bereits mit voll entwickelten Flirtfähigkeiten auf die Welt gekommen.
Miranda redete sich gern ein, daß sie von Geburt an gegen solche armseligen Fähigkeiten immun war.
Er hatte unglaubliche Augen. Augen, die einen ansahen, als ob alles andere
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