Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
als man selbst einfach zerschmolzen sei.
Als sie merkte, daß sie bei dem Gedanken seufzte und die Augen schloß, rief sie sich energisch zur Ordnung und zog den Rückenreißverschluß ihres Kleides zu.
Es hatte lediglich etwas mit Stolz und professioneller Höflichkeit zu tun, daß sie ihre Kleidung für heute abend mit besonderer Sorgfalt ausgewählt hatte. Als sie ihm am Morgen
begegnet war, hatte sie ausgesehen wie eine schlampige Studentin. Heute abend würde er schon merken, daß sie eine reife, lebenskluge Frau war, die keine Probleme damit hatte, mit einen Mann zu Abend zu essen.
Miranda hatte ein schwarzes Kleid aus dünner, weicher Wolle gewählt, das so tief ausgeschnitten war, daß man den Ansatz ihrer Brüste sah. Die Ärmel waren lang und eng, und der schmale Rock umspielte ihre Knöchel. Beim Schmuck entschied sie sich für eine exquisite und fraglos sehr sexy wirkende Reproduktion eines byzantinischen Kreuzes, das bis in die Spalte zwischen ihren Brüsten hing.
Schließlich steckte sie ihre Haare mit mehreren Nadeln lässig hoch. Das Ergebnis sah, wie sie sich selbst eingestehen mußte, sehr sexy aus, selbstbewußt und meilenweit entfernt von der großen, linkischen Frau, die sie während ihrer Collegezeit gewesen war. Niemand, der sie sah, würde auf die Idee kommen, daß sie wegen eines einfachen Abendessens aufgeregt war, oder daß sie sich Sorgen darüber machte, daß ihr möglicherweise schon vor dem ersten Gang kein intelligenter Gesprächsstoff mehr einfallen könnte.
Wer sie sah, würde nur Charme und Stil sehen. Alle – und vor allem er – würden genau das sehen, was sie wollte.
Sie nahm ihre Tasche, verrenkte den Hals, um sich noch einmal von hinten im Spiegel zu betrachten, und lief dann die Treppe hinunter.
Andrew war im vorderen Salon und schon bei seinem zweiten Whiskey angelangt. Er senkte sein Glas, als sie eintrat, und zog die Augenbrauen hoch.
»Toll. Wow!«
»Andrew, du bist ein richtiger Poet. Sehe ich in dem Kleid dick aus?«
»Auf diese Frage gibt es nie die richtige Antwort. Oder wenn es sie doch gibt, so hat sie jedenfalls noch kein Mann gefunden. Deshalb...«, er prostete ihr zu, »enthalte ich mich.«
»Feigling.« Und weil Miranda sehr nervös war, schenkte sie sich selbst ein halbes Glas Weißwein ein.
»Bist du für ein Geschäftsessen nicht ein bißchen zu aufgedonnert?«
Sie nippte an ihrem Wein und wartete, bis der Alkohol die Schmetterlinge in ihrem Bauch besänftigt hatte. »Hast du mir nicht heute nachmittag einen langen Vortrag darüber gehalten, wie gut uns eine Verbindung zur Galerie Boldari zu Gesicht stünde?«
»Stimmt.« Andrew kniff die Augen zusammen. Obwohl er seine Schwester nicht oft als Frau ansah, blieb ihm heute nichts andres übrig. Sie sieht hinreißend aus, dachte er unbehaglich. »Hat er Eindruck auf dich gemacht?«
»Reiß dich zusammen!«
»Hat er?«
»Nein, eigentlich nicht«, lenkte sie ein. »Und wenn, ich bin schließlich eine erwachsene Frau, die weiß, wie sie damit umgehen muß.«
»Wohin geht ihr?«
»Ich habe ihn nicht gefragt.«
»Die Straßen sind immer noch vereist.«
»Es ist März, und wir befinden uns in Maine – natürlich sind die Straßen vereist. Spiel nicht den großen Bruder, Andrew.« Sie tätschelte ihm die Wange. »Das muß Ryan sein«, fügte sie hinzu, als die Türglocke ertönte. »Benimm dich.«
»Für die Vasaris benehme ich mich gern«, murmelte er, zog aber die Brauen hoch, während er Miranda nachsah. Manchmal vergaß er einfach, wie großartig sie aussehen konnte, wenn sie ein wenig Zeit darauf verwendete. Und daß sie jetzt offensichtlich Zeit darauf verwendet hatte, versetzte ihm einen Stich.
Es hätte ihm sicher noch einen weiteren Stich versetzt, wenn er Ryans Blick gesehen hätte, als Miranda ihm die Tür öffnete.
Es kam Ryan vor, als habe er einen Schlag in den Magen bekommen. Auf diesen Anblick war er nicht vorbereitet gewesen. »Sie sehen aus, als habe Tizian Sie gemalt.« Er ergriff Mirandas Hand, trat dann jedoch vor, um sie auf beide Wangen zu küssen.
»Danke.« Sie schloß die Tür und widerstand dem Bedürfnis, sich haltsuchend dagegenzulehnen. Durch ihre hohen Absätze waren ihre Augen und ihre Münder auf einer Höhe, und das verstärkte noch ihre gegenseitige Anziehungskraft. Im Bett, dachte sie, würde es auch so sein.
»Andrew ist im Salon«, sagte sie. »Möchten Sie nicht einen Moment hereinkommen?«
»Ja, gern. Sie haben ein wundervolles Haus.« Er blickte
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