Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
fast zwanzig Jahre später, verspürte er immer noch die gleiche Erregung, wenn er ein Schloß knackte und in ein gesichertes Gebäude einbrach.
Er hatte seine Techniken verfeinert, und seit mehr als zehn Jahren war er nun auf Kunst spezialisiert. Er hatte ein Gefühl für Kunst, liebte sie und sah sie im Grunde genommen als öffentliches Eigentum an. Wenn er ein Gemälde aus dem Smithsonian entwendete – und das hatte er schon getan –, erwies er lediglich einem Individuum einen Dienst, für den er gut bezahlt wurde.
Und mit seinem Gewinn erwarb er weitere Kunstwerke, die er für die Öffentlichkeit zugänglich in seinen Galerien ausstellte.
Ihm kam das wie ein äußerst gelungenes Gleichgewicht vor.
Wenn er doch so gut mit Elektronik umgehen konnte, warum sollte er dann dieses Talent nicht mit seiner gottgebenen Begabung für Diebstahl kombinieren?
Er wandte sich seinem Laptop zu, gab die Messungen, die er in der Südgalerie vorgenommen hatte, ein, und holte sich den dreidimensionalen Raumplan auf den Monitor. Die Positionen der Kameras waren rot eingezeichnet. Dann ließ er sich von dem Gerät die Winkel, die Entfernungen und den besten Weg berechnen.
Seine Zeit als Fassadenkletterer war schon lange vorbei, die Zeit, als er in Häuser einbrach, durch Fenster kletterte, herumschlich und Schmuck in seine Tasche stopfte. Dieser Teil des Berufs war etwas für die Jungen, Wagemutigen oder Dummen. Außerdem hatten in der heutigen, unruhigen Zeit zu viele Leute Schußwaffen in ihren Häusern und schössen auf alles, was sich im Dunkeln bewegte.
Ryan zog es vor, schießwütige Hausbesitzer zu meiden.
Es war weitaus besser, die Technologien zu nutzen, den Job rasch, sauber und ordentlich zu erledigen und dann zu verschwinden.
Aus Gewohnheit überprüfte er die Batterien in dem kleinen Impulsgeber. Er hatte ihn selbst entworfen, und er sah aus wie eine Mischung aus einer TV-Fernbedienung, einem Handy und einem Pager.
Nachdem er das Sicherheitssystem studiert hatte – Andrew war so nett gewesen, es ihm zu erklären –, konnte er leicht den Bereich und die Frequenz einstellen, die er benötigte, nachdem er das System auf seine Bedürfnisse umgestellt hatte. Sein Test am späten Vormittag hatte ihm bewiesen, daß er dabei erfolgreich gewesen war.
In das System hineinzukommen war schwieriger gewesen. Wenn er mit einem Partner gearbeitet hätte, hätte einer im Röhrensystem den Computer bedienen können, um die Verriegelungen zu lösen. Aber er arbeitete allein, und er brauchte den Impulsgeber für die Kameras.
Die Schlösser waren relativ einfach. Er hatte die Schemazeichnungen des Sicherheitssystems vor Wochen bekommen und sie schließlich geknackt. Dann hatte er zwei Nächte vor dem Gebäude zugebracht, die Seitentür gekennzeichnet und eine Zugangskarte gefälscht.
Der Sicherheitscode selbst war ihm dank Andrew bekannt geworden. Ryan fand es erstaunlich, was die Leute so alles in ihren Brieftaschen bei sich trugen. Die Zahlenfolge war säuberlich auf einem zusammengefalteten Zettel notiert, der hinter Andrews Führerschein steckte. Ryan hatte nur Sekunden gebraucht, um ihm die Brieftasche zu entwenden, sie zu durchsuchen, die Zahlen zu finden und sie sich einzuprägen. Dann hatte er Andrew freundlich auf den Rücken geklopft und ihm dabei die Brieftasche wieder in die Tasche gesteckt.
Für die ganze Vorbereitung hatte Ryan ungefähr zweiundsiebzig Stunden gebraucht. Zählte er die Stunde dazu, die er zur Ausführung brauchte, und rechnete er noch seine Ausgaben hinzu, so kam er auf einen Gewinn von fünfundachtzigtausend Dollar.
Netter Auftrag, dachte er, und verdrängte sein Bedauern darüber, daß es sein letztes Abenteuer war. Er hatte sein Wort gegeben, und er brach nie ein Versprechen. Nicht der Familie gegenüber.
Er sah auf die Uhr und stellte fest, daß er bis zu seinem Auftritt noch acht Stunden Zeit hatte. Die erste Stunde verbrachte er mit dem Vernichten der Beweise. Er verbrannte die Pläne in dem Kamin seiner Suite, speicherte seine elektronischen Unterlagen unter einem Codewort ab und sicherte sie zusätzlich noch durch verschiedene Paßwörter.
Danach hatte er noch genug Zeit für sportliche Betätigung, um in die Sauna und schwimmen zu gehen und um ein Nickerchen zu halten. Ryan glaubte fest daran, daß sowohl Körper als auch Geist fit sein mußten, bevor er irgendwo einbrach.
Kurz nach sechs saß Miranda allein in ihrem Büro, um einen Brief zu schreiben. Obwohl im
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