Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
herrscht Unruhe. Eine große Umwälzung findet statt ... ich höre einen Schuss. Dort.“ Er gestikulierte unbestimmt mit einer Hand in Richtung Hintergarten.
Ich bedeutete Alec mit einer Kopfbewegung:
Bingo!
Er nickte nur stumm.
Kornisch ging noch ein, zwei Schritte weiter, dann blieb er stehen und schüttelte den Kopf. „Niemand sollte dort hinuntergehen“, erklärte er entschieden. „Dort unten ist die Hölle. Sie spüren das doch auch, nicht wahr? Dieser Raum“ – dabei wies er die Kellertreppe hinunter – „ist voll von Verdammten. Da ist die Frau mit dem dunklen Umhang, der junge Mann ... noch ein weiterer Mann ... eine dicke Frau mit glatt gescheiteltem Haar. Andere sind auch noch da, aber ich kann sie nicht klar erkennen. Es sind sieben. Aus irgendeinem Grund ist das wichtig ... SIEBEN. Sie haben in diesem Haus gelebt und sie kommen hierher zurück und bringen die Hölle mit sich.“
Der Hellseher legte den Kopf schief und kniff die Augen ein wenig zusammen, während er in das Halbdunkel über der Kellertreppe spähte. Er stieg eine Stufe nach der anderen hinunter, als ziehe ihn etwas von unten. Dabei sprach er weiter, immer ein wenig stockend, als würden die Szenen, die er sah, nur schrittweise deutlich – wie die Fotos einer Polaroid-Kamera. „Der junge Mann hat sich das Leben genommen. Hat jemand ein Foto von ihm gemacht, als er tot war? Nein ... er selbst hat ein Foto von einem Toten gemacht, das ist es. Er trägt eine Gummischürze und hat dickes schwarzes Haar, das senkrecht in die Höhe steht.“
Wir folgten ihm alle mit angehaltenem Atem, als er die Kellertüre öffnete und einen Blick hineinwarf. Ich war schon darauf gefasst gewesen, dass er ebenso schnell wieder heraußen sein würde wie Pater Schilmer, aber diesmal zeigte sich nichts Unheimliches. Vielleicht lag es daran, dass wir so viele Personen waren. Der Hellseher trat ein und wir folgten ihm.
„Hier ist noch eine Frau“, erklärte er. „Sie ist groß und dick und hat ein Mondgesicht unter straff gescheiteltem Haar. Sie ist böse, grausam und lügnerisch, eine bigotte Heuchlerin; eine Gewalttat steht mit ihr in Verbindung – eine besonders schreckliche Tat, ein Mord.“
Es wunderte mich schon kaum mehr, als er uns genau beschrieb, wozu das Souterrain benutzt worden war. Er hatte nur Schwierigkeiten mit der Tatsache, dass hier
zwei
Mal – und das in einem Abstand von dreißig Jahren – Tote deponiert worden waren. Anscheinend „sah“ er Szenen, die sich ständig ineinander schoben, einmal die rohe, provisorische Leichenhalle des Kriegslazaretts, dann Hartmanns gepflegtes Bestattungsinstitut. Immer wieder schüttelte er verunsichert den Kopf und korrigierte sich, bis Alec sich einmischte und ihm erklärte, wie es gewesen war.
Der dicke Mann lachte freundlich. „Oh, und ich dachte schon, was ist denn mit dir los, Tom, du bist heute ja völlig verwirrt! Na, machen wir weiter ...“ Plötzlich blieb er stehen. „Hier ist ein Mann“, erklärte er. „Er trägt die Kleidung der Jahrhundertwende. Ein blasser, blonder Mann mit einem scharfen Gesicht. Er ist mager, hat eine große dreieckige Nase wie eine Haifischflosse. Niemand liebt ihn, und es gibt auch niemanden, den er liebt ... Er sieht Grauen erregend aus, sein Mund und sein Kinn sind schwarz verbrannt, als hätte er Säure getrunken ... Er vergräbt etwas ... leihen Sie mir einmal Ihren Stock?“, wandte er sich an Alec. Sobald er den Stock hatte, klopfte er damit auf verschiedene Bodenfliesen und konzentrierte sich schließlich auf eine davon. „Hier ist Geld vergraben“, erklärte er mit großer Selbstsicherheit. „Viel Geld. Aber Sie werden nichts davon haben, es sind alles Banknoten, die inzwischen längst wertlos sind.“
Coco hinter mir stieß einen lauten Seufzer der Enttäuschung aus. Wahrscheinlich hatte sie uns schon alle im Gold wühlen gesehen.
Ich dachte an den letzten Schwertsak, den Wucherer Joseph, der verbittert und verhasst hier im Hause gestorben war – Selbstmord begangen hatte, wie es hieß, indem er Karbolsäure trank. Zweifellos war er der magere Mann, den Kornisch gesehen hatte.
Der Hellseher schritt weiter im Keller herum. Er zeigte uns unter vier gleichen Duschköpfen denjenigen, an dem Ricky Kossack sich erhängt hatte, und gab eine zutreffende Schilderung von Wolfram Hartmann, wie er in den späten 70er Jahren ausgesehen haben musste. Schließlich wandte er sich der rechten Seitenwand zu – derselben, die Alec damals bei der
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