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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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mußte schließlich aus dem Bett steigen und auf die Suche nach einem Taschentuch gehen, damit sie sich die Nase putzen konnte.
    »Das hattest du sicher nicht erwartet«, sagte sie schließlich, »eine Frau, die in deinen Armen liegt und nur noch flennt! «
    »Ich hätte dich nicht gebeten, mir von dir zu erzählen, wenn ich nur an deiner Fassade interessiert wäre«, entgegnete er. »Du kannst reden, solange du willst. Du kannst weinen, solange du willst.«
    Auf einmal fühlte sie sich auf eine wohlige, eine zufriedene Weise müde.
    »Ich glaube, ich werde jetzt schlafen«, murmelte sie.

Sonntag, 29. Dezember 1996
    Laura hatte die ganze Nacht über kein Auge zugetan, hatte jede halbe Stunde Licht gemacht, um zu sehen, wie spät es war. Die Stunden schienen nicht vergehen zu wollen. Sie zitterte vor Ungeduld, endlich weiterzukönnen. Immerhin hatte sie es schon bis Leyburn geschafft, das war weiter, als Marjorie es ihr prophezeit hatte: »Du kommst bestenfalls bis Northallerton! Glaub doch nicht, daß von dort zur Zeit ein Bus geht!«
    Nun — es war ein Bus gefahren. Die Straße war recht ordentlich geräumt, obwohl es, wie der Busfahrer erzählt hatte, inzwischen noch einmal neu geschneit hatte. Aber Laura hatte von Anfang an gewußt, daß die große Hauptstraße nicht das Problem sein würde. Das Problem lag zwischen Leigh’s Dale und der Westhill Farm.
    Der Bus endete in Leyburn. Es war bereits spät am Abend, und es gab keine Möglichkeit mehr zur Weiterfahrt. Am liebsten wäre sie zu Fuß losgestapft, aber sie zwang sich zur Vernunft. Sie informierte sich, wann am nächsten Morgen der erste Bus gehen würde — leider nicht vor zehn Uhr, wie sich herausstellte, denn es war Sonntag—, und machte sich dann daran, eine Unterkunft zu suchen. Sie fand ein »Bed & Breakfast«, das zwischen den Jahren geöffnet hatte, dessen Zimmer jedoch ziemlich heruntergekommen und schmuddelig waren und dessen einziger Vorzug darin bestand, daß die Übernachtung nur zehn Pfund kostete. Dort legte sie sich dann ins Bett und grübelte und wartete.
    Um halb sieben stand sie auf. Draußen herrschte noch tiefe Dunkelheit. Sie stieß das Fenster auf, streckte den Kopf hinaus, ängstlich, daß es schon wieder schneien könnte. Aber die Luft war kalt und trocken. Im Schein der Straßenlaternen sah sie die gewaltigen Schneeberge, die sich rechts und links der Wege türmten. Sie gaben ihr einen Vorgeschmack auf das, was sie erwartete, wenn sie in Askrigg den Bus verlassen und sich — falls sie keine Gelegenheit zur Weiterfahrt fand — erst nach Leigh’s Dale und dann zur Farm durchkämpfen würde. Besser, sie dachte vorläufig gar nicht darüber nach. Die Probleme kamen früh genug auf sie zu.
    Sie zog sich an und überlegte, ob sie wohl schon hinuntergehen und frühstücken könnte. Sie hatte noch kein einziges Geräusch im Haus gehört. Sicher schlief die Wirtin noch und wäre verärgert, wenn Laura sie aufweckte.
    Aber mein Bus fährt ja sowieso erst um zehn, dachte Laura und seufzte tief bei der Vorstellung, wie lange sie noch würde warten müssen. Sie setzte sich in den einzigen Sessel im Zimmer — ein uraltes Ungetüm, das selbst unter ihrem Fliegengewicht ächzend bis fast zum Boden durchsank — und dachte nach.
    Diese Fremde aus Deutschland, diese Barbara, hatte eigenartig geklungen. Laura war sich da ganz sicher, ohne daß sie genau hätte benennen können, was ihr so eigenartig vorgekommen war. Sie hatte geistesabwesend gewirkt, grübelnd. Innerlich mit etwas schwer beschäftigt.
    Natürlich konnte ihr irgend etwas im Kopf herumgegangen sein, Eheprobleme oder berufliche Sorgen; aber ein Instinkt sagte Laura, daß sie selbst Gegenstand von Barbaras Irritation gewesen war. Sie wußte, daß Marjorie ihr jetzt sagen würde, daß das, was sie für Instinkt hielt, nichts war als ihre Besessenheit, mit der sie alles auf sich und ihr Problem bezog. Daß sie sich gar nicht mehr vorstellen konnte, daß Menschen um etwas anderes als um sie kreisten. Und doch...
    Sie war an einem Punkt ihres Lebens angelangt, an dem die Verzweiflung sie ständig zu überwältigen drohte. Seit Frances’ Tod hatte sie um Westhill gekämpft und gekämpft, und die Sorgen hatten sie ausgelaugt und erschöpft. Manchmal fühlte sie sich wie ein ausgeblutetes Stück Fleisch.
    Mit Frances war die Quelle von Kraft und Sicherheit versiegt, von der Laura gezehrt hatte, seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen war. Mit Frances hatte sie ihre Mutter zum zweiten

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