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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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das Fortkommen unserer Männer investiert haben, nutzen, um unseren Erfolg und unser Fortkommen zu sichern!«
    Beifall brandete auf. Die junge Rednerin ergriff ein Glas, das ihr eine andere Dame reichte, und nahm einen Schluck Wasser.
    »Frauen haben zu allen Zeiten bewiesen, daß sie Kraft, Mut und Verstand besitzen und dabei um nichts hinter den Männern zurückstehen«, fuhr sie fort. »Es ist deshalb eine Infamie, Frauen von einem wichtigen, vielleicht dem wichtigsten Bereich des öffentlichen Lebens völlig auszuschließen — vom politischen Bereich. Noch nie hat ein Mann einen überzeugenden Grund dafür vorbringen können, weshalb einer Frau nicht dasselbe Recht zu unmittelbarer politischer Einflußnahme zusteht wie ihm!«
    Frances war ganz hinten stehengeblieben. Unweit von ihr hatten sich ein paar Männer gruppiert, in sicherem Abstand zu den Frauen, doch nahe genug, daß Frances sie verstehen konnte.
    »Hört, hört!« sagte einer von ihnen. »Politische Einflußnahme! Sollen wir demnächst auch Frauen im Parlament sitzen haben?«
    »Warum will sie nicht gleich Premierminister werden?« fragte ein anderer.
    »Das Amt sollte unbedingt demnächst mit einer Frau besetzt werden!«
    Alle lachten. Ein dicklicher Mann, der sich ständig mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte, meinte: »Sieht doch gar nicht so schlecht aus, die Kleine! Könnte glatt einen Mann abkriegen, dann müßte sie nicht in öffentlichen Parks herumstehen und dumme Reden schwingen!«
    »Sie ist zu mager«, befand ein anderer, »wer die kriegt, steht immer mit leeren Händen da!«
    Wieder Gelächter.
    »Was diese Frauen da allesamt brauchen«, sagte der Dicke, »sind Männer, die sie einmal richtig...«
    Sein Blick traf auf den von Frances, und sofort verstummte er verlegen. Auch die anderen Männer wurden sich bewußt, daß sie eine Zuhörerin hatten, und lachten etwas hilflos. Frances sah sie mit so viel Verachtung an, wie sie nur aufbringen konnte, und schob sich dann zwischen den anderen Frauen weiter nach vorne.
    »Frauen haben jahrhundertelang mit den Waffen gekämpft, die ihnen von den Männern zugestanden wurden«, sagte die Rednerin gerade, »Waffen, die keinerlei Gefahr darstellten. Im wesentlichen waren sie anpassungsbereit, ordneten ihre Wünsche denen der Männer unter und bemühten sich, keine ungehörigen Forderungen nach größerer Gleichstellung laut werden zu lassen. Die wenigen, die ausbrachen, hatten dafür meist teuer zu bezahlen. Die übrigen setzten ihre Belange — meist höchst bescheidene Wünsche — mit eben jenen berühmten, von den Männern wohlwollend abgesegneten Waffen einer Frau durch, die da sind: Schmeichelei, kindlich-süßes Verhalten — und Prostitution!«
    Unter den Zuhörerinnen entstand einige Unruhe.
    Die Rednerin wurde lauter. » Jawohl, Prostitution! Wie oft haben Sie versucht, auf diese Weise etwas zu erreichen? Und wenn Sie dabei nett und willig waren, meine Damen, ließ die Belohnung meist nicht lange auf sich warten. Die Männer zeigten sich dann durchaus bereit, Ihnen entgegenzukommen — aber nur so weit, wie die Männer es wollten . Nicht so weit, wie Sie, meine Damen, es verlangten!«
    Eine Frau, die einige Schritte von Frances entfernt stand, brach plötzlich in Tränen aus. Eine andere legte den Arm um sie und führte sie langsam hinaus aus den Reihen der Versammelten.
    »Jahrelang hat die WSPU mit den Mitteln gekämpft, die einer Frauenbewegung allgemein zugebilligt werden. Wir waren friedlich und umgänglich. Wir haben argumentiert, diskutiert, appelliert. Man hat uns dafür belächelt, und man hat uns keine Sekunde lang ernst genommen.«
    Frances drängelte sich noch ein Stück weiter nach vorne und stieß dabei einer vor ihr stehenden Frau den Ellbogen in den Rücken.
    »Entschuldigung«, sagte sie.
    »Schon gut«, erwiderte die Frau und drehte sich um. Es war Alice Chapman.
    Sie stieß einen leisen Schrei aus. »Frances Gray! Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Alice! Das ist ja wirklich ein großartiger Zufall.«
    Alice lächelte. »Das Mädchen mit dem schwachen Magen. Weit weg von daheim, mitten in einer Kundgebung der WSPU. Ich bin sehr beeindruckt!«
    »Ehrlich gesagt, in die Kundgebung bin ich zufällig hineingeraten«, gestand Frances. Sie machte eine Bewegung mit dem Kopf zur Rednertribüne hin. »Wer ist sie?«
    »Sie kennen sie nicht? Das ist Sylvia Pankhurst!«
    »Oh«, sagte Frances ehrfürchtig. Sylvia Pankhurst, die Tochter von Emmeline Pankhurst,

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