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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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führte nach Daleview, wenn man die Hauptstraße nicht nehmen wollte.
    Und plötzlich hatte sie eine Idee: Wenn schon von ihrer Familie niemand da war, dann konnte sie auch nach Daleview hinüberlaufen und John besuchen. Wenn er daheim war. Sie beschloß, die Möglichkeit, er könne sich gerade in London aufhalten, gar nicht in Erwägung zu ziehen.
    Sie nahm ein Sommerkleid aus dem Koffer, es war aus saphir-blauem Musselin, und Phillip hatte einmal gesagt, es mache ihre Augen dunkler und strahlend. Es war ein wenig zerknittert, aber das konnte sie nun nicht ändern. Sie zog sich um, kämmte ihre Haare. Prüfend betrachtete sie sich im Spiegel. Sie war immer noch zu mager, ihre Wangenknochen traten scharf hervor, das Kleid hing formlos um die Taille. Aber John hatte sie zuletzt elend und kaputt im Gefängnis erlebt; er würde staunen, wie gut sie sich trotz allem erholt hatte.
    Sie setzte einen großen Strohhut, der mit langen blauen Bändern geschmückt war, zum Schutz gegen die Sonne auf den Kopf und machte sich auf den Weg.

    Entlang der Straße unten, die Auffahrt hinauf und auf dem großen Platz vor dem Haus standen Automobile und Kutschen geparkt. Es mochten an die fünfzig Wagen sein. Die Chauffeure in ihren herausgeputzten Uniformen lehnten an den Kühlerhauben der Wagen und lasen Zeitung oder hatten sich in Gruppen unter den Bäumen zusammengefunden, lachten und plauderten. Einige Kutscher waren beschäftigt, Wasser und ein paar Heuballen für die Pferde herbeizutragen. Sie wischten sich dabei den Schweiß von der Stirn und fluchten auf ihre steifen Livreen, die sie in ihren Bewegungen behinderten. Neugierige Blicke flogen zu Frances hin, die zögernd die Auffahrt entlangging.
    »Je später der Tag, desto hübscher die Gäste!« rief ein schwarzhaariger Chauffeur, der eine Uniform aus leuchtendrotem Tuch trug, mit Goldknöpfen, die in der Sonne blitzten. Die anderen antworteten mit Gelächter auf seine Bemerkung. Frances ignorierte Blicke und Worte und schritt auf das Haus zu, das sich dunkel und düster wie immer gegen den hellen Himmel abhob. Musikfetzen wehten ihr entgegen. Stimmengewirr? Sie lief schneller. Die letzten Meter rannte sie fast.
    Die Haustür stand weit offen, war ringsum mit Bergen von Blumen geschmückt. Ein roter Teppich führte die Stufen hinauf in die ebenfalls blumengeschmückte Eingangshalle. Ein livrierter Diener stand in der Tür, etwas müde in sich zusammengesunken, aber als er Frances’ ansichtig wurde, setzte er eine strenge Miene auf.
    »Ja, bitte?« fragte er.
    »Ich...«, setzte Frances an, wußte jedoch nicht weiter. Was sollte sie sagen? Sie wußte ja nicht einmal, was hier eigentlich stattfand! Sie merkte, daß der Diener sie von oben bis unten kritisch musterte. Ihr hübsches, blaues Sommerkleid war für ein Fest dieses Ausmaßes und dieser Bedeutung sicher völlig unzureichend.
    »Sie haben eine Einladung?« erkundigte er sich.
    Da er nicht wußte, wer sie war, verhielt er sich vorsichtshalber sehr höflich, ließ aber durchblicken, daß er sie nicht ohne weiteres einlassen würde.
    Sie hob den Kopf. »Ich bin Frances Gray«, erklärte sie würdevoll. »Ich habe keine Einladung, da man mich in London glaubt. Ich bin heute überraschend zurückgekehrt.«
    Die Musik, die einen Moment lang verstummt gewesen war, setzte wieder ein. Leise klirrten Teller und Gläser. Dazwischen Stimmen und Gelächter.
    »Ja...« Der Diener schien ziemlich ratlos. Er hatte keine Ahnung, ob er sie passieren lassen durfte oder nicht.
    »Sie sind verwandt mit Miss Victoria Gray?« fragte er.
    »Ich bin ihre Schwester.« Wieso nannte er ausgerechnet Victoria, das Küken der Familie?
    »Nun...«, zögerte er noch immer, und sie beschloß, sich nicht länger aufhalten zu lassen. Sie lief einfach an ihm vorbei ins Haus und ignorierte sein »Halt! Sie können nicht einfach...« Sie ging über den roten Teppich, umwogt von Blumen - lieber Himmel, sie mußten jede einzelne Gärtnerei in Yorkshire aufgekauft haben! -, und dann öffnete sie die Flügeltür, die zu dem großen Saal auf der anderen Seite der Eingangshalle führte. Sie blieb in der Tür stehen und suchte zu erfassen, was sie sah.
    Der Saal war ebenso verschwenderisch mit Blumen geschmückt wie der Eingang des Hauses. Seine drei hohen, weißlackierten Türen zur Gartenseite hin standen offen und gaben den Blick frei auf die sich über die ganze Breite des Hauses hinziehende steinerne Terrasse, von der breite Stufen zu dem tiefer liegenden

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