Das Haus Der Schwestern
ist ein Püppchen. Repräsentativ und anschmiegsam. Auf die Dauer aber vielleicht auch etwas langweilig.«
»Ich kam mir so häßlich vor heute. So alt. Irgendwie schon so ... verlebt.«
Kate lachte leise. »Verlebt bist du noch nicht mit deinen achtzehn Jahren. Aber ein paar Spuren haben die Ereignisse natürlich hinterlassen. Einfach nur ein junges, unerfahrenes Ding bist du nicht mehr.«
»Welch ein Wunder!« sagte Frances. Es klang verbittert. »Ich saß ja auch im Gefängnis und lag dann wochenlang im Krankenhaus, während Vicky ihre Zeit damit zubrachte, sich zu hätscheln und zu pflegen und herauszuputzen. Natürlich ist sie ganz und gar die Frau, die sich ein junger, aufstrebender Politiker an seiner Seite wünscht.«
»Oh — höre ich da so etwas wie Selbstmitleid heraus? Schenke es dir, Frances! Jeder wählt seinen Weg. Du wußtest, du würdest irgendeinen Preis zahlen dafür. Wir haben vor einem Jahr darüber gesprochen, erinnerst du dich? Du warst dir vollkommen darüber im klaren, daß du manches aufs Spiel setztest!«
»Aber ich dachte nicht...«
»Du dachtest nicht, daß man dich so grausam zur Kasse bitten würde? Frances, so ist das Leben. Manchmal hast du Glück und kommst erstaunlich gut weg. Und manchmal spielt es dir übel mit. Am besten, du stellst dich darauf ein, denn es wird nie anders.«
»Es ist ja nicht nur John«, sagte Frances müde. »Auch Vater und Mutter. Ich habe es heute gemerkt. Vater verzeiht mir wirklich nicht. Und Mutter ... Sie verstößt mich zwar nicht, aber sie läßt mich spüren, auf wessen Seite sie steht.«
»Maureen und Charles sind eine untrennbare Einheit, Frances. Das waren sie immer. Vielleicht, weil man ihnen am Anfang so viele Steine in den Weg gelegt hat. Maureen steht zu Charles, was immer passiert. Aber ich kann dir versichern, sie leidet schrecklich unter dem Auseinanderbrechen der Familie. Erst George, jetzt du... glaube nicht, daß es leicht ist für sie!«
»Es ist so schnell gegangen. Plötzlich tut sich der Boden unter uns auf. Es war alles ... perfekt vorher. Das Leben war so leicht. Egal, wie sehr ich die Schule gehaßt habe ... das waren Kinkerlitzchen. Es schien, als könne kein Sturm jemals unserer Familie etwas anhaben. Wahrscheinlich ging es uns zu gut. Nun will uns irgend jemand zeigen, daß es anders sein kann.«
Fröstelnd zog sie die Beine noch enger an den Körper. Das Tal unter ihr tauchte nun völlig ins Dunkel. Das Rauschen der Blätter wurde lauter. Aber weit hinten im Westen lag noch ein breiter, heller Streifen über dem Himmel.
»Es ist immer noch meine Heimat«, murmelte sie. »Die habe ich noch. Das Gefühl für dieses Land hier kann mir niemand nehmen.«
Kates alte, harte Hand legte sich auf ihren Arm. »Du hast recht. Das kann dir wirklich niemand nehmen.«
Frances wandte ihr Gesicht der Großmutter zu. Von einer plötzlichen, unkontrollierbaren Emotion überwältigt, sagte sie inbrünstig: »Großmutter, ich hasse Victoria. Ich hasse sie, und ich schäme mich nicht einmal dafür!«
Trotz der Dunkelheit konnte sie erkennen, daß Kate lächelte. »Du solltest sie nicht hassen, Frances. Sie ist zu bedauern. Eines habe ich ganz genau gespürt heute: John liebt dich noch immer. Nur dich. Das wird nicht einfach werden für Victoria.«
Am nächsten Morgen fanden ein Sektempfang und ein Frühstück auf Daleview statt, und Maureen sagte, Frances müsse auf jeden Fall daran teilnehmen.
»Ich bin doch überhaupt nicht eingeladen«, widersprach Frances sofort, doch Maureen sagte, die alte Mrs. Leigh habe ihr beim Abschied am gestrigen Abend noch ausdrücklich aufgetragen, Frances am Morgen mitzubringen.
»Dadurch, daß du gestern aufgekreuzt bist, weiß nun jeder, daß du hier bist«, fügte sie hinzu. »Man kann jetzt gar nicht anders, als dich einzuladen. Und es würde eigenartig aussehen, wenn du jetzt nicht mitkämst.«
»Aber es fand wohl niemand eigenartig, daß ich zur eigentlichen Hochzeit meiner Schwester nicht eingeladen war. Besser gesagt: Es fand niemand eigenartig, daß man mich nicht einmal davon in Kenntnis gesetzt hatte.«
Maureen sah sie scharf an. »Du hast dich von der Familie entfernt, nicht die Familie von dir!«
»Ich habe getan, was...«
»Du hast deinem Vater das Herz gebrochen«, sagte Maureen leise, aber Frances schrak zurück vor dem Zorn in ihren Augen. »Du hast gewußt, was du tust, und hast es getan. Nun beschwere dich nicht darüber, daß eine Menge Porzellan zerbrochen ist.« Sie ging aus
Weitere Kostenlose Bücher