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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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vor dem Portal in die Hocke und blickt ihrer Tochter in die Augen. »Du brauchst nichts anderes zu tun, als möglichst ruhig zu sein, und aufstehen und dich hinsetzen, wenn die anderen es machen. Und wenn du nicht weißt, was du als Nächstes tun sollst, dann mach einfach die Augen zu und falte die Hände, so.«
    »Ach, klar!«, sagt Yasmin. »Da unten ist die Kirche, da oben die Turmspitze … ich hab’s kapiert!«
    »Genau. Aber mach einfach nur die ›Kirche‹, bis ich dich stupse.«
    »Okay«, antwortet Yasmin. Sie hält still, während Bridget ihr die Haare glatt streicht und nachsieht, ob bei ihr der Kleidersaum nicht unter dem Mantel hervorlugt.
    »Ruhm Gott in der Höhe, und Frieden den Menschen auf Erden«, singt die Gemeinde. Laute Orgelmusik. Ich bin mir sicher, dass das die letzte Strophe war.
    »Weihnachten ist komisch auf dem Land«, stellt Yasmin fest.
    »Ich weiß«, antwortet Bridget. »Die Leute feiern manche Feste ganz unterschiedlich. Deshalb nennt man das multikulturell.«
    »Hmmm«, macht Yasmin.
    Sie stößt das Portal auf. Der Geruch von Kiefernholz, Kerzenwachs und feuchtem Stein dringt ihr in die Nase, halb vergessen, aber aus ihrer Kindheit doch irgendwie vertraut. Das ist wie mit dem Fahrradfahren, denkt sie. Wie das geht, werde ich auch nie vergessen.
    »… von Anfang bis in alle Ewigkeit …«
    »Machen die auf dem Land«, sagt Yasmin laut in die Gesangspause hinein, »keine Geschenke wie beim richtigen Weihnachtsfest?«
    Hundert Augenpaare sind auf sie gerichtet. Die Sonntagskleidung unter Anoraks versteckt. Alte Damen mit Hüten ganz vorn in der ersten Reihe. Verdrießliche Teenager. Respektabilität, die aus jeder Pore dringt. Yasmin schaut fragend zu ihrer Mutter auf. »Glauben die denn nicht an den Weihnachtsmann?«, fragt sie.
    »Das ist mal eine, Ihre Kleine.«
    »Bitte nicht«, sagt Bridget. Spürt, dass sie beim Gedanken daran wieder rot wird.
    »Macht doch nichts«, erklärt Chris Kirkland. »Deshalb haben wir doch Kinder, nicht wahr? Um uns daran zu erinnern, wie heikel es ist, Würde zu bewahren.«
    »O mein Gott«, sagt Bridget, »was für eine Art und Weise, mich hier vorzustellen.«
    »Machen Sie sich darum keine Sorgen. Besser, man fällt auf, als dass keiner einen kennt.«
    »Was werden sie bloß denken? Dass ich meinem Kind nicht einmal die Grundlagen des Christentums beibringen kann.«
    Chris lacht. Schnappt sich zwei Gläser Sherry von dem mit einem Tischtuch bedeckten Tapeziertisch, der an der Wand steht. Reicht ihr eines. »Ich weiß nicht, was Sie glauben, an welchem Ort Sie hier gelandet sind, aber ich vermute, dass es hier genau wie im Rest des Landes zugeht. Die meisten dieser Leute sehen die Kirche ein ganzes Jahr nicht von innen. Ich denke, an einem gewöhnlichen Sonntag finden sich kaum mehr als zwanzig Gottesdienstbesucher in der Kirche ein. Der Rest ist entweder im Pub oder hockt vor dem Fernseher. Wie auch immer. Auf ex!«
    »Zum Wohl«, sagt Bridget. »Frohe Weihnachten.«
    »Ja. Frohe Weihnachten. Wie begehen Sie das Fest?«
    »Ach, nur wir zwei. Wir werden ganz ruhig in unserer Küche feiern. Das Haus ist voller Gäste.«
    »Ach ja. Stella Aykroyd mit ihrer Sippe. Ich glaube kaum, dass wir die hier so schnell in der Kirche zu Gesicht bekommen.«
    Bridget lacht.
    »Sie bekommen also keinen Besuch von der Familie oder so?«, fragt Chris.
    Bridget schaut zu ihrer Tochter hinüber, die ein paar Spielkameraden gefunden hat und damit beschäftigt ist, in der Ecke des Raums eine Krippe umzustellen. Diese besitzt, wie Bridget bemerkt, ein keltisches Kreuz, und eine kleine Flotte Fischerboote gehört ebenfalls dazu, und die Landschaft rund um den Stall ist erstaunlich grün. Kamele im Bodmin Moor. Eigentlich auch nicht seltsamer als Schnee in Bethlehem.
    »Nein«, antwortet sie vage. »Keine Familie.«
    Dann wird ihr klar, dass sie vielleicht mehr Neugier erweckt, wenn sie sich vage äußert, als wenn sie sich gesprächig gibt. »Nein«, fügt sie hastig hinzu. »Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich siebzehn war, und ich habe keine Geschwister.«
    Chris zeigt den üblichen neutralen Gesichtsausdruck des Mitgefühls. »Tut mir leid, das zu hören.«
    Bridget schüttelt den Kopf. »Ist schon lange her. Eine halbe Ewigkeit.«
    »Trotzdem.«
    Sie merkt, dass diese Erklärung nicht ausreicht. »Und ich habe mich von ihrem Vater kurz nach ihrer Geburt getrennt«, erklärt sie. »Wir haben kaum noch Kontakt.«
    »Ach«, sagt Chris. »In

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