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Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Das Haus in der Löwengasse (German Edition)

Titel: Das Haus in der Löwengasse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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nicht. Sie hatte ihr ein Zimmer auf unbestimmte Zeit vermietet und sie bei der Gelegenheit gleich mit dem neuesten Klatsch versorgt.
    Viel verändert hatte sich seit Paulines Weggang vor einem Dreivierteljahr in dem hübschen Kurort nicht. Offenbar gaben dieselben Familien den Ton an, und die ewig gleichen Geschichten machten die Runde. Auch äußerlich war in dem kleinen Ort noch alles beim Alten. Zwar war jetzt keine Saison, und nur vergleichsweise wenige Kurgäste hielten sich in den Pensionen und Hotels auf. Dennoch gab es zu dieser Jahreszeit hin und wieder Belustigungen und gesellschaftliche Veranstaltungen, Konzerte oder gesellige Abende.
    Pauline hatte nicht viel Interesse am gesellschaftlichen Leben, obgleich sie sich bewusst war, dass sie einige Veranstaltungen würde besuchen müssen, um alte Bekanntschaften aufzufrischen und zu pflegen. In der ersten Zeit in Bonn hatte sie Bad Bertrich sehr vermisst. Wenn sie heute die vorbeiflanierenden Kurgäste beobachtete, wurde ihr klar, dass sie sich zurück nach Köln sehnte. Zurück in das Haus in der Löwengasse.
    Abrupt wandte sie sich vom Fenster ab und ging zum Bett, auf dem ihre Reisetasche darauf wartete, ausgepackt zu werden. Mehr als zwei Kleider und die nötigste Unterwäsche hatte sie freilich nicht mitgebracht. Außerdem natürlich das Porträt ihres Onkels, von dem sie sich niemals würde trennen können. Zudem hatte sie zwei Kinderzeichnungen – eine von Ricarda und eine von Peter – eingepackt, obwohl sie wusste, dass es nicht wirklich klug war. Rasch verstaute sie sie in einer Kommodenschublade.
    Streng genommen gehörten ihr die Kleider nicht, und sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie sie einfach mitgenommen hatte. Vielleicht würde sie Julius das Geld dafür eines Tages postalisch schicken.
    Der Gedanke an ihn ließ ihr Herz schmerzhaft gegen ihre Rippen pochen. Sie ließ sich auf das schmale Bett sinken und bemühte sich, an etwas anderes zu denken. Doch die Erinnerung an die gemeinsamen Stunden war noch zu frisch; fast konnte sie den Druck seiner Lippen auf den ihren, seine forschenden, streichelnden Hände noch spüren.
    Sie hatte einen Kloß im Hals, der ihr die Luft abschnürte. Ablenken, dachte sie. Sie musste etwas Sinnvolles tun. Vielleicht könnte sie einen Spaziergang machen und sich eine Zeitung kaufen, um nach Stellenanzeigen Ausschau zu halten. Stattdessen rollte sie sich auf dem Bett zusammen und weinte.
    ***
    Julius hatte in der Nacht kein Auge zugetan. Nicht nur, weil ihn eine schmerzhafte Sehnsucht nach Pauline plagte, sondern auch, weil er sich den Kopf nach einer Lösung für seine Probleme zermarterte. Das Gesicht, das ihn am Morgen beim Blick in den Spiegel begrüßte, war bleich und verkniffen. Aber er war zu einem Entschluss gekommen.
    Pauline hatte in ihrem Brief verlangt, dass er um Friedas Hand anhielt, also würde er genau das tun. Mit grimmiger Miene wusch und rasierte er sich, ließ sich von Jakob seinen besten Mantel herauslegen. Das Frühstück fand in gedrückter Stimmung statt. Ricarda und Peter hielten mit ihrer Trauer um den Verlust der geliebten Gouvernante nicht hinterm Berg, das machte es Julius nicht gerade leichter. Er beschloss, seinen Kindern nichts von seinem Entschluss und den daraus resultierenden Konsequenzen zu erzählen, um die Stimmung nicht noch mehr aufzuwühlen.
    Akkurat gekleidet, jedoch in der denkbar finstersten Verfassung, machte Julius sich schließlich gegen halb elf auf den Weg zum Anwesen der Oppenheims. Selbstverständlich ging er heute nicht zu Fuß, sondern ließ sich mit dem Zweispänner fahren. Es ging schließlich nichts über den schönen Schein. Erst vor der Haustür der Oppenheims bemühte er sich, ein etwas freundlicheres Gesicht aufzusetzen.
    Friedas Mutter, Hedwig Oppenheim, empfing ihn in ihrem kleinen Salon. «Wie schön, Sie endlich wiederzusehen, mein lieber Julius», rief sie herzlich. «Wir dachten schon, Sie hätten uns gänzlich vergessen seit dem Maskenball am Rosenmontag. Aber nein, habe ich zu Frieda gesagt, die sich natürlich ganz besonders große Sorgen gemacht hat. Er wird uns bald wieder besuchen. Und hatte ich nicht recht? Hier sind Sie.» Sie strahlte ihn mit ehrlicher Freude an.
    Julius räusperte sich. «Ich hatte einige wichtige Angelegenheiten zu … klären.»
    «O ja, aber natürlich!», rief Hedwig verständnisvoll. «Sie sind ein vielbeschäftigter Mann. Aber ich hoffe doch, Sie haben heute ein wenig Zeit mitgebracht, um uns Gesellschaft zu

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