Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
leisten. Mein Mann ist leider gerade in Geschäften unterwegs, aber er würde sich freuen, wenn Sie bis zum Mittagessen blieben, damit er Sie ebenfalls begrüßen kann.»
Julius machte eine unbestimmte Geste. «Frau Oppenheim», begann er. «Ich würde gerne mit Ihrer Tochter Frieda ein Gespräch unter vier Augen führen, wenn Sie erlauben.»
Hatte Hedwig bisher bereits gestrahlt, so ging bei diesen seinen Worten geradezu eine Sonne in ihrem Gesicht auf. «Aber ja, natürlich! Selbstverständlich dürfen Sie das! Sie ist im Musikzimmer, wenn Sie sich dorthin bemühen möchten. Oder soll ich Frieda rufen lassen? Ganz, wie Sie wünschen, lieber Julius.»
«Machen Sie sich keine Umstände», wehrte er ab. «Ich finde sie schon. Vielen Dank.» Rasch verließ er den Salon und ging hinüber zum Musikzimmer, aus dem die Klänge des Pianoforte zu hören waren. Er klopfte kurz an und trat ein.
Frieda erhob sich überrascht, als sie ihn sah. In ihrem cremefarbenen Kleid sah sie sehr ansprechend aus. Ihr rotes Haar war wie immer modisch frisiert, an ihren Schläfen ringelten sich akkurat geformte Löckchen.
Rasch verdrängte Julius den Gedanken an weniger akkurate, dafür aber umso bezauberndere blonde Haarlocken.
«Guten Morgen», begrüßte er Frieda und verbeugte sich höflich.
«Julius, guten Morgen!» Erfreut trat Frieda näher. «Ich freue mich, dass Sie uns heute besuchen. Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen lassen? Möchten Sie sich setzen?» Sie wies auf die kleine Sitzgruppe vor dem Flügel.
Julius schüttelte den Kopf. «Danke nein, und … ich stehe lieber.»
«Oh.» Offensichtlich ratlos, was sie darauf sagen sollte, ließ sich Frieda auf dem Rand eines Sessels nieder.
Julius trat einen Schritt auf sie zu, hielt aber einen gemessenen Abstand zu ihr, der ihm das Reden erleichtern sollte. «Soeben habe ich Ihre Mutter gebeten, mit Ihnen ein Gespräch unter vier Augen führen zu dürfen», begann er. An ihrer Miene und der leichten Röte, die in ihre Wangen stieg, erkannte er, dass sie wusste, worauf er hinauswollte. Er atmete tief durch und ordnete seine Gedanken. Dann fuhr er fort: «Ich muss Ihnen eine Frage stellen, von deren Antwort es abhängt, ob Sie in absehbarer Zeit meine Frau werden.»
Frieda öffnete überrascht den Mund, schloss ihn jedoch gleich wieder. Irritiert blickte sie ihn an.
Julius ging weiter auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand. Zögernd erhob sie sich.
Er blickte ihr gerade in die Augen. «Frieda, ich weiß, dass Sie sich von diesem Augenblick etwas anderes erhofft haben. Aber ich kann mich weder verstellen, noch werde ich Ihnen die Informationen vorenthalten, die Sie in Ihre Entscheidung miteinbeziehen sollten.»
Die Verwirrung war Frieda nun deutlich ins Gesicht geschrieben. «Informationen?», brachte sie schließlich unsicher hervor. «Was meinen Sie damit?»
Er verschränkte die Arme vor der Brust. «Meine Firma steht kurz vor dem Ruin.»
Sie riss die Augen auf, erholte sich jedoch schnell von ihrem Schreck. Verlegen räusperte sie sich. «Ich … habe so etwas gehört. Die Leute reden ja viel und … Aber mein Vater hält große Stücke auf Sie, denn sonst würde er ja nicht … Er würde es sehr begrüßen, wenn ich …» Sie verstummte und wurde rot. «Wenn unsere Familien miteinander … verbunden wären, könnte Vater … Er würde …»
«Mir helfen, ich weiß.» Julius nickte ihr zu. «Aber da gibt es noch etwas, das Sie unbedingt wissen sollten.»
Sichtlich erregt hob sie den Kopf. «Und was ist das?»
«Ich liebe Sie nicht, Frieda.»
«Oh.» Sie senkte verschämt den Blick. «Das …»
«Mag ebenfalls kein Hindernis sein», sagte er. «Aber ich möchte hinzufügen, dass nicht die Aussicht besteht, dass sich an meiner derzeitigen Gefühlslage bald etwas ändern wird.» Er hielt kurz inne. «Sie sind ein liebenswertes Mädchen, Frieda, und sehr hübsch. Suchen Sie also bitte den Fehler nicht bei sich.»
Sie hob den Kopf wieder.
Entschlossen, die Sache nun so rasch wie möglich hinter sich zu bringen, erklärte er: «Ich kann in dieser Angelegenheit nicht anders als vollkommen ehrlich Ihnen gegenüber sein. Es gibt eine andere Frau, der mein Herz ebenso unverbrüchlich gehört wie meine Loyalität. Daran wird sich nichts ändern, wenngleich die betreffende Dame sich inzwischen von mir losgesagt und mein Haus verlassen hat.»
Frieda stieß einen erstickten Laut aus und starrte ihn mit großen Augen an. «Du liebe Zeit!», rief sie erschüttert.
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