Das Haus in der Löwengasse (German Edition)
Schritt auf sie zu. «Es hat ihr sehr leidgetan, dass ihre Mutter dich geschimpft hat.»
«Ja?» Unsicher spielte Pauline mit dem Saum ihrer Schürze. «Das ist sehr …»
«Sie sagt, dass du sogar besser singst als sie selbst. Das glaube ich nicht, habe ich erwidert, aber sie hat darauf bestanden. Sie findet sogar, du solltest ihren jüngeren Schwestern Unterricht geben. Allerdings dürfte Frau Stein damit nicht einverstanden sein. Also habe ich gesagt, wenn Christine erst meine Frau ist, könnten wir dich einstellen, damit du unsere Töchter unterrichten kannst, falls wir welche bekommen sollten.»
«Oh.» Pauline spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. «Das ist … Das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.»
«Du brauchst gar nichts zu sagen, Pauline. Nur versprechen musst du mir, dass du die Stelle annimmst, wenn es so weit ist. Eine gute Erzieherin ist Gold wert, finde ich. Und wenn sie so hübsch und talentiert ist wie du, sollte man nicht lange zögern und zugreifen.»
Pauline schluckte. Schnitzlers Worten waren ihr unangenehm, dabei war sein Lächeln freundlich. Nichts deutete auf einen bösen Hintergedanken hin. Doch …
Er nickte ihr zu. «Dann wäre das also abgemacht. Sobald unsere erste Tochter das Licht der Welt erblickt, wirst du ihr Kindermädchen. Nein, ihre Erzieherin. Vielleicht holen wir dich schon vorher in unseren Haushalt. Ich habe heute nur Gutes über dich gehört. Und natürlich konnte ich mich auch selbst davon überzeugen, dass du sehr fleißig und wohlerzogen bist. Und gehorsam, nicht wahr?»
Pauline nickte rasch. «Natürlich, gnädiger Herr.»
«Sehr schön.»
Er hob die Hand und strich ihr über die Wange. Erschrocken zuckte Pauline zurück.
«Wirklich ausgesprochen hübsch», murmelte er. «Auf bald, Pauline.» Er zwinkerte ihr zu und wandte sich zum Gehen, prallte jedoch zurück, da hinter ihm in der Küchentür noch eine weitere Person aufgetaucht war. «Oh, Pardon!»
«Da sind Sie ja. Ihre verehrte Frau Mutter sucht nach Ihnen, Herr Schnitzler.» Julius Reuther musterte den jungen Mann mit einem Blick, der besagte, dass er genau mitbekommen hatte, was in der Küche vor sich gegangen war. Er war auf dem Weg zum Abort auf die Stimmen in der Küche aufmerksam geworden. Da die Köchin mit einem der Dienstmädchen im Speisezimmer mit Aufräumen beschäftigt war, hatte er sich neugierig der Küchentür genähert, vor allem, da ihm die männliche Stimme sehr bekannt vorkam. Was er mit anhören musste, hatte ihn zunächst amüsiert. Doch seine Empörung wuchs, als er erkannte, worauf der junge Schnitzler hinauswollte. Wäre Pauline seinen offensichtlichen Annäherungsversuchen entgegengekommen, hätte Julius sich nicht weiter darum gekümmert. Doch er hatte ganz deutlich das Entsetzen in ihren Augen gesehen, als Schnitzler sie berührte. Das hatte den Ausschlag für ihn gegeben, sich einzumischen. Sie war zwar nur eine kleine Angestellte, doch Männer, die ihre Position ausnutzten und sich ihrem Dienstpersonal aufdrängten, waren ihm ein Gräuel. Vor allem, wenn sie frisch verlobt waren.
Schnitzler räusperte sich. «Ach ja? Dann werde ich wohl am besten gleich mal zu ihr gehen. Gewiss möchte sie allmählich aufbrechen.»
«Sie sprach davon.» Mit finsterem Blick beobachtete Julius, wie sich Schnitzler aus dem Staub machte, dann drehte er sich zu Pauline um, die noch immer mitten in der Küche stand. Sie starrte ihn mit großen Augen an.
«Danke», murmelte sie verlegen.
Zwischen seinen Augen bildete sich eine steile Falte. «Wie dumm kann man eigentlich sein?», sagte er kühl und ging hinaus.
Pauline gab ihm im Stillen recht. Als er verschwunden war, lehnte sie sich erschöpft gegen den Tisch und atmete mehrmals tief ein und aus. Sie wusste, was Elmar Schnitzler von ihr wollte – Kindererziehung gehörte allerdings eher nachrangig dazu.
Kurz schloss sie die Augen und bedauerte das arme Fräulein Christine. Die Hörner abgestoßen hatte sich ihr Bräutigam ganz sicher noch nicht. Vielleicht war es gut, dass das Mädchen gar nicht wusste, was es mit dieser Redewendung auf sich hatte.
***
«Pauline», raunte eine samtige Stimme in ihr Ohr. Sie öffnete die Augen, doch es war dunkel um sie herum; es musste tiefe Nacht sein. «Pauline, ich habe dich vermisst.» Sie spürte den warmen Atem des Mannes an ihrem Ohr. Seine Hände fuhren unter ihre Decke, legten sich auf ihren Leib.
Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die
Weitere Kostenlose Bücher