Das Haus in Georgetown
Rede fertig war, blickte er auf.
„Kann ich auf dem Dachboden wohnen? Ich komme nur mit, wenn ich unterm Dach wohnen darf.“
„Was bist du, Kleiner, eine Fledermaus?“
„Ich wette, da oben ist es cool. Und da wohnen die Geister, nicht?“
„Es gibt keine Geister.“
„Mrs. Garfield hat uns was anderes erzählt. Sie meinte, Geister sind Seelen, die aus dem Himmel rausgeworfen werden, weil sie ungehorsam waren.“
Faith hatte den Verdacht, dass Mrs. Garfield, die unermüdlich einfallsreiche Klassenlehrerin von Alex’, mit diesem Trick versuchte, den ungestümen Jungen ruhig zu stellen. Faith zerzauste ihrem Sohn die unbändigen roten Locken. Sein Haar – sowohl die Struktur als auch die Farbe – unterschied ihn von allen anderen Familienmitgliedern. Zwar mochte es keine Geister geben, ein Kobold aber saß direkt vor ihr.
„Hör zu, du kannst dir auf dem Speicher eine Werkstatt einrichten. Für deine Erfindungen.“
„Echt?“ gluckste Alex. „Glaubst du, es gibt da wirklich Fledermäuse?“ Die Vorstellung schien ihm zu gefallen.
Sie hoffte, dass ihr wenigstens dieses Problem erspart blieb.
Alex’ Miene hellte sich noch weiter auf. „Darf ich auf eine andere Schule gehen?“
„Wäre das für dich in Ordnung?“
„Spitze.“ Er druckste ein wenig herum und ergänzte dann: „Vielleicht eine Schule, an der sie mich besser leiden können?“
Als sie nun im Whirlpool ausspannte, von dem es in gut einer Woche Abschied zu nehmen galt, fragte sich Faith, wie sie je hatte zulassen können, dass Alex auf eine Schule gehen musste, an der er sich von allen zurückgewiesen fühlte. In ihrer jetzigen Stimmung wollte sie David die Schuld geben, aber das war nicht fair. Als sie mit David Bronson vor den Altar getreten war, hatte sie eine ganze Lebensweise, eine Denkungsart geheiratet und genau gewusst, was sie tat.
Es war ihr Vater gewesen, der sie ihrem künftigen Gemahl vorgestellt und den ruhigen jungen Mann als kommende Kraft in derkonservativen Politik angepriesen hatte. Als Spätentwicklerin hatte Faith gerade begonnen, sich ihren eigenen Weg durchs Leben zu bahnen, aber von David war sie auf Anhieb so begeistert, so völlig hingerissen gewesen, dass sie ihre aufkeimende Unabhängigkeit nur zu gerne aufgegeben hatte, um seine Frau zu werden.
Sie wusste um die Konsequenzen. Sie hatte miterlebt, wie ihre Mutter ihr Leben ganz auf die Karriere ihres Vaters ausgerichtet hatte, und tat nun instinktiv dasselbe. Fünfzehn Jahre lang hatte sie an der Seite ihres Mannes gestanden und mit ihm eine perfekte Familie aufzubauen versucht, und sie hatte sich eingeredet, dass das eben ihre Berufung war.
Und sie hatte ihre Sache gut gemacht. Von Zeit zu Zeit hatte man sie gebeten, einen Vortrag über die Kultivierung eines christlichen Elternhauses zu halten, eine Ehre, die sie mit der Begründung abgelehnt hatte, sie sei mit genau dieser Kultivierung vollauf ausgelastet.
David andererseits hatte keine Gelegenheit ausgelassen, über die Themen zu sprechen, die ihm wichtig waren. Er war freundlich und zurückhaltend, eine Ausnahmegestalt in politischen und religiösen Kreisen. Anstatt andere Sichtweisen niederzumachen, vertrat er seine eigenen Standpunkte prägnant und voller Gefühl. Hätte er seinen Harvard-Abschluss in Theologie genutzt, um Pfarrer in der Gemeinde seines Vaters zu werden, wäre jede seiner Predigten um dasselbe Thema gekreist: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Aber nach Arnold Bronsons Tod hatte David das Amt seines Vaters nicht übernommen. Jetzt fragte sich Faith, ob ihr Noch-Ehemann damals mit seinen persönlichen Dämonen gerungen hatte. Denn hätte er die gleichen Ansichten wie sein Vater vertreten, wäre ihm nichts anders übrig geblieben, als die Sünde der Homosexualitätmit deutlichen Worten zu geißeln. Offensichtlich hatte irgendeine Instanz in ihm daran gezweifelt, ob das klug wäre.
Mit geschlossenen Augen und unter dem besänftigenden Einfluss der Kamillen- und Zitrusdüfte war Faith kurz davor, David zu bemitleiden. Er hatte gelogen; er hatte sie benutzt, um seine Lebenslüge aufrechtzuerhalten. Aber sie wusste, dass er ihr niemals hatte wehtun wollen.
Sie schlug die Augen auf und betrachtete ihren Körper, der entspannt im Wasser des Kräuterbads lag. Sie war nie mit ihm zufrieden gewesen. Zwar hatte sie die kleinen Brüste und schmalen Hüften eines Mannequins, aber leider nicht die passenden langen Beine.
Sie überlegte, ob gerade ihr Mangel an weiblichen
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