Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
die um ihren Kopf schwirrte. Was immer es war, es war garantiert unwichtig. Wichtig war, das Mädchen umzubringen und hier abzuhauen.
»Wir vergeuden Zeit«, erklärte sie ihm, wohl wissend, dass er genau das vorhatte. Er ließ Brianne Zeit aufzuwachen, begriff sie. Warum? Damit er sie töten oder damit er Sex mit ihr haben konnte? Und was dann? Wollte er wirklich versuchen, das Mädchen zu überreden, sich ihnen anzuschließen? Plante er eine eigene Bande fröhlicher Männer und Frauen zu gründen, die die Wälder bevölkerten, ein moderner Robin Hood, der die Reichen nicht nur ausraubte, sondern auch tötete. Eher ein moderner Charles Manson, entschied sie, als ihr eine Dokumentation über die mörderische Kommune wieder einfiel, die sie neulich auf E! gesehen hatte. Die hatten zugegebenermaßen einen ziemlich coolen Eindruck gemacht. Trotzdem war es ihr so, wie es jetzt war, nur sie beide, deutlich lieber. Sie wollte nicht um die Aufmerksamkeit und Zuneigung ihres Geliebten kämpfen müssen. Sie wollte sich keine Sorgen darüber machen, wer seine Favoritin war oder ob sie Gefahr lief, ersetzt zu werden. Sie wollte zu dem zurückkehren, was sie am besten konnten, nämlich die Welt von nutzlosen alten Leuten befreien.
Alte Leute, dachte sie und blickte zu dem Computer. Auf dem Computer war irgendetwas mit alten Leuten.
»Wir müssen alle Fingerabdrücke abwischen«, sagte Henry.
»Das können wir machen, nachdem wir Brianne umgebracht haben.«
»Nein«, sagte er entschieden. »Wir sparen uns das Beste bis zum Schluss auf.«
Sie wollte widersprechen, besann sich jedoch eines Besseren. Mit ihm zu diskutieren, würde die Sache nur weiter hinauszögern.
»Vielleicht solltest du den Wagen volltanken«, schlug er vor.
»Ich soll den Wagen volltanken?«, wiederholte sie und fragte sich, was er nun wieder vorhatte.
»Ja. Dann müssen wir später nicht noch mal anhalten.«
»Ich fahr nicht tanken«, sagte Nikki. Machte er sich immer noch Hoffnungen, Brianne vielleicht doch mitzunehmen? Konnte es sein, dass er sogar daran dachte, sie laufen zu lassen?
»Wie du willst. War ja auch bloß eine Idee.«
»Wenn du so dringend tanken willst, mach es doch selber.«
»Du bist doch diejenige, die es so eilig hat, hier wegzukommen«, erinnerte er sie mit einem Achselzucken und zog wissend die Brauen hoch. »Los. Wir müssen anfangen, alles abzuwischen.«
»Warum fackeln wir die ganze Hütte nicht einfach ab?«
»O ja, das ist wirklich clever. Warum geben wir nicht gleich noch eine Anzeige in der Zeitung auf, häh? Damit die Bullen genau wissen, wo wir sind.«
Überrascht spürte Nikki, dass sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen. »Warum bist du so gemein zu mir?«, fragte sie mit der Kleinmädchenstimme ihrer Kindheit, einer Stimme, die sie kaum wiedererkannte und lange begraben zu haben glaubte.
»Wovon redest du? Ich bin nicht gemein zu dir.«
»Bist du wohl. Seit du von diesem Mädchen weißt, benimmst du dich … ich weiß nicht … total seltsam.«
»Hey«, sagte Henry und ließ eine bunte Perlenkette, die er in der obersten Schublade gefunden hatte, auf den Boden fallen, sodass die Perlen in alle Richtungen kullerten. Er ging langsam auf sie zu und legte den Kopf zur Seite wie ein ungezogener kleiner Hund. »Höre ich da etwa Eifersucht?«
»Sei nicht albern.«
»Weil du dich irgendwie eifersüchtig benimmst.«
»Ich will bloß dieses blöde Mädchen umbringen und hier verschwinden.«
»Und du bist sicher, dass du nicht doch ein winziges bisschen eifersüchtig bist?«, fragte er verschmitzt und ließ seine Hand unter das zu große Kleid wandern, das sie trug. »Hast du es deswegen so eilig, sie umzubringen.«
»Ich bin nicht eifersüchtig.«
»Du trägst auch keine Unterwäsche.«
Mit der anderen Hand griff er nach ihrer Brust.
Nikki lächelte. »Schön, dass ich endlich deine Aufmerksamkeit erregen konnte.«
»Oh, du hast meine volle Aufmerksamkeit. Die Frage ist nur, was du damit anfangen willst.«
Nikki sank vor ihm auf die Knie. »Ich zeig es dir.«
»Sollte die Mückensaison nicht mittlerweile vorbei sein?«, fragte James und schlug sich mit der flachen Hand in den Nacken.
»Sieht so aus, als hätte irgendjemand vergessen, das diesen kleinen Viechern zu sagen.« Melissa kratzte sich hinterm Ohr. Als sie die Hand sinken ließ, sah sie Blut unter ihren Fingernägeln. »Reizend.«
Jennifer bildete die Nachhut. Wenn die Mücken auch ihr zu schaffen machten, ließ sie sich nichts anmerken.
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