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Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Bösen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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Mann blinzelte in die Sonne. »Kennen wir uns?«
    Val rupfte ihren Tilley-Hut vom Kopf und bauschte ihr verschwitztes Haar notdürftig auf. »Ich bin’s. Valerie. Valerie Marcus. Jedenfalls hieß ich früher Marcus. Ich war auf der Lincoln High. Wir waren zusammen im Schwimmteam.«
    »Meine Güte«, sagte Gary Parker. »Wie lange ist das her?«
    »Müssen jetzt fünfundzwanzig Jahre sein.«
    »Valerie Marcus«, wiederholte er und schüttelte sein schütteres, braunes Haar. »Mein Gott, wie geht es dir?«
    »Gut. Es ist unglaublich, aber dein Sohn sieht genauso aus wie du in seinem Alter.«
    »Es ist unglaublich, dass du dich daran erinnerst.«
    Das fand Val auch. Auch wenn sie zusammen im Schwimmteam und in einigen Kursen gewesen waren, hatten sie in ihrer gesamten Zeit auf der Lincoln High kaum mehr als ein Dutzend Sätze miteinander gewechselt. Wahrscheinlich hatte Gary Parker in der letzten Minute mehr mit ihr geredet als in seinem gesamten letzten Jahr an der Schule. »Das sind meine Freunde James und Melissa.«
    »Freut mich«, sagte Gary, was Melissa und James prompt erwiderten. »Meinen Sohn Hayden habt ihr ja offenbar schon kennengelernt.«
    »Sie dachten, ich wäre ein Bär.«
    »Ein verständlicher Irrtum.« Gary zupfte liebevoll am Pferdeschwanz seines Sohnes und wandte sich mit einem schelmischen Funkeln in seinen haselnussbraunen Augen wieder Val zu. »Und kommst du oft hierher?«
    »So oft ich kann. Herrlich hier, nicht wahr?«
    »Ja, das finde ich auch. Dein Sohn hat gesagt, ihr wohnt in Connecticut.«
    »Seit fast zwanzig Jahren. Ich bin direkt nach der Uni dorthin gezogen.«
    »Ein Sport-Stipendium an der Duke University, wenn ich mich richtig erinnere«, sagte Val.
    »Du hast ein wirklich beeindruckendes Gedächtnis.«
    »Danke, aber ich war mir nie sicher, ob das ein Fluch oder ein Segen ist.«
    »Wahrscheinlich beides.«
    »Wahrscheinlich«, stimmte Val ihm zu. »Und was hat dich nach Connecticut gezogen?«
    »Ich habe ein Mädchen kennengelernt.«
    »Natürlich.« Daran erinnerte sie sich auch: Gary hatte nie Probleme gehabt, weibliche Begleitung zu finden. Ihr fiel auf, dass Melissa und James diskret ein Stück vorausgegangen waren und Garys Sohn in einen nichtssagenden Smalltalk verwickelten.
    »Wir haben beide Betriebswirtschaft studiert. Ruthies Vater war Aktienhändler mit eigener Firma in Connecticut. Wir haben geheiratet, ich bin in das Familienunternehmen eingestiegen, wir haben einen Sohn und eine Tochter bekommen und zuletzt eine, wie ich leider sagen muss, ziemlich hässliche Scheidung hinter uns gebracht.« Er senkte die Stimme. »Das war vor fünf Jahren. Ich habe ihr die Firma überlassen, aber ich bin in Connecticut geblieben, um in der Nähe der Kinder zu sein.«
    »Und was machst du jetzt beruflich?«, stellte Val nicht die Frage, die sie stellen wollte, denn sie wollte eigentlich fragen: Warum eine hässliche Scheidung? Und gleich danach: Wie hässlich genau?
    »Ich bin in der Branche geblieben«, beantwortete Gary nur die laut gestellte Frage. »Jetzt hab ich einen verständnisvolleren Chef: mich selbst.«
    »Es ist nett, sein eigener Chef zu sein«, pflichtete Val ihm bei.
    »Und was ist mit dir? Verheiratet? Geschieden? Kinder? Karriere?«
    »Alles«, sagte Val. »Verheiratet. Geschieden oder jedenfalls fast. Eine Tochter. Eine abgebrochene Karriere.«
    »Was für eine Karriere? Und wieso abgebrochen?«
    »Ich habe für die New York Times und ein paar andere Publikationen Reiseberichte geschrieben.«
    »Wirklich? Warum hast du damit aufgehört? Ich wette, du warst richtig gut.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil du gut in allem warst, was du gemacht hast.«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte sie noch einmal und kämpfte gegen den unerwarteten Drang an, in Tränen auszubrechen.
    »Weil du furchtlos warst.«
    »Wirklich?« Wohl eher verängstigt, dachte sie.
    »Machst du Witze? Ich kann mich noch an unsere Schwimmwettkämpfe erinnern. Du warst dieses dünne kleine Ding, nur Arme und Beine, noch nicht voll entwickelt.« Er hielt sich die Hand vor den Mund und hüstelte verlegen. »Aber du warst immer wild entschlossen. Dein Schmetterlingsstil war gelinde gesagt unkonventionell. Du hattest mehr Enthusiasmus als Technik. Und trotzdem hast du jeden verdammten Wettkampf gewonnen.«
    Val lächelte. Es war ihre Mutter gewesen, die sie ermutigt hatte, mit dem Schwimmen anzufangen. In einem ihrer Schränke bewahrte sie bis heute einen Schuhkarton mit ihren alten Medaillen auf, obwohl

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