Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
dass Sie das Ganze zu dramatisch sehen. Wieder einmal.«
Val ließ sich in den nächsten Sessel sinken, frischer Kopfschmerz schwebte über ihrer Stirn. »Sie haben selbst keine Kinder. Ich erwarte gar nicht, dass Sie das verstehen.«
»Ich denke, Sie hätten sie nicht schlagen sollen. Und ich kann verstehen, warum sie vielleicht nicht hier sein wollte, wenn Sie zurückkommen.«
»Ja, Sie sind wirklich ein Ausbund an Verständnis«, fauchte Val.
»Val«, warnte Melissa sie tonlos und hielt sich die Hand vor den Mund. »Du sollst zuckersüß flöten«, flüsterte sie. »Schon vergessen?«
Val atmete tief durch, geplagt von schweren Schuldgefühlen. »Hat sie irgendwas gesagt über … das, was passiert ist?«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich habe ihr übrigens erklärt, dass sie sich bei Ihnen entschuldigen muss.«
»Wieso denn das?«, fragte Val höhnisch.
»Weiß ich auch nicht.« Jennifer zuckte die Schultern. »Außerdem denke ich, dass es nicht schaden könnte, wenn Sie sich umgekehrt auch bei ihr entschuldigen.«
»Verzeihung?«
»Flöten«, flüsterte Melissa zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Hören Sie. Warum rufen Sie sie nicht einfach auf ihrem Handy an, wenn Sie sich ernsthaft Sorgen machen?«
Val zog Briannes ramponiertes BlackBerry aus der Tasche und hielt es hoch. »Weil ich das verdammte Ding beschlagnahmt habe. Schon vergessen?«
»Stimmt«, sagte Jennifer. »Dann fällt mir auch nichts mehr ein. Wenn niemand etwas dagegen hat, würde ich dann jetzt gern duschen, bevor Evan kommt.«
»Hat er angerufen?« Val bemühte sich, nicht zu überrascht zu klingen.
»Ähm, nein. Noch nicht. Ich bin jedoch sicher, er meldet sich jeden Moment.«
»Sicher.«
»Ich weiß, was Sie denken«, verteidigte Jennifer sich. »Aber Sie kennen ihn wirklich nicht so gut, wie Sie denken.«
»Sicher. Ich war ja auch nur achtzehn Jahre mit ihm verheiratet, während Sie ihn jetzt wie lange vögeln?«
»Warum gucken wir nicht, ob wir Brianne unten finden?«, sagte Melissa hastig und schob Val Richtung Tür.
»Ja«, erwiderte Jennifer eisig. »Warum tun Sie das nicht?«
»Ich schau am Pool nach«, bot James an, als sie in den Flur traten.
»Ich übernehme die Shops«, sagte Melissa.
»Dann warte ich einfach in der Lobby«, sagte Val.
»Und tschüs.« Damit trat Jennifer die Badezimmertür zu.
Val saß seit fast zwei Stunden in einem der beiden überdimensionierten grünen Polstersofas vor einem riesigen gemauerten Kamin gegenüber der Rezeption, als sie ihn sah. Er trug eine schicke schwarze Hose zu einem violett-weiß gestreiften Hemd und sah aus wie ein vollendet geschliffener Edelstein und nicht wie der Rohdiamant, als den James ihn bezeichnet hatte. Trotzdem robust, dachte Val mit stockendem Atem, als er auf sie zukam. »Gary«, sagte sie und sprang auf, überrascht von ihrer Reaktion. Zwei Jahrzehnte lang hatte sie nur Augen für einen Mann gehabt – Evan. Trotz seiner Affären war sie ihm hoffnungslos treu geblieben. Und seit er gegangen war, hatte es auch niemanden gegeben. Sie fragte sich, was mit ihr nicht stimmte. »Was machst du denn hier?«, sagte sie laut.
»Du hättest wohl nicht gedacht, mich so schnell wiederzusehen?«
»Was machst du hier?«, fragte sie noch einmal.
»Sieht so aus, als würde ich dich zum Abendessen einladen.«
»Was?«
»Das heißt, wenn deine Freunde einen Abend auf dich verzichten können.«
»Was?«, fragte Val noch einmal.
»Aber sie können natürlich auch mitkommen, wenn dir das lieber ist.«
»Ich verstehe nicht.«
»So schwierig ist es eigentlich nicht. Du gehörst doch nicht zu den Frauen, die nichts essen, oder?«
»Wie hast du mich gefunden?«, wollte Val wissen, ohne auf seine Frage einzugehen, die sie für rhetorisch hielt.
»Dein Freund James hat erwähnt, dass ihr hier seid.«
Val erinnerte sich, nickte und spähte über seine Schulter. »Dein Sohn …?«
»… ist auf dem Zeltplatz geblieben. Er hat ein paar Jungs getroffen, und es sieht so aus, als würden sie heute Abend ihr eigenes Ding machen, also dachte ich mir, ich versuche mein Glück und gucke, ob du Zeit hast …«
»Ich kann nicht.«
»Oh. Na gut. Ich …«
»Offenbar ist meine Tochter verschwunden.«
»Was?«
»Ich sitze hier jetzt seit zwei Stunden«, erklärte Val mit Tränen in den Augen, »und warte, dass sie durch die Tür kommt.«
Gary führte sie zurück zu dem Sofa und nahm neben ihr Platz. »Okay. Jetzt mal ganz von vorn.«
Val erklärte ihm rasch
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