Das Herz des Bösen: Roman (German Edition)
die Lippen stumm bewegend.
Ohne zu antworten, wandte Brianne sich ab.
Der Streit war im Grunde ein verkappter Segen gewesen, weil er ihr einen legitimen Vorwand geliefert hatte, sich von der Gruppe zu entfernen. Ihre Mutter war mit ihren Freunden wandern gegangen, um sich abzuregen, und danach war es nicht allzu schwer gewesen, Jennifer die Erlaubnis abzuringen, sich für ein paar Stunden mit Tyler zu treffen.
Was sich als ein großer Fehler erwiesen hatte. Nie hätte sie sich von Tyler überreden lassen dürfen, in einem so offen einsehbaren Gelände mit ihm zu schlafen. Irgendwie hatte es aufregend geklungen, und sie wollte auch auf keinen Fall als prüde rüberkommen, aber mal ehrlich, was hatte sie sich dabei gedacht? Was war mit ihrem gesunden Menschenverstand passiert? War sie so erpicht darauf gewesen, einen Jungen zu beeindrucken, dass sie nicht mehr auf ihre innere Stimme horchte?
Sie hatte sie schon gehört, bevor sie sie sah: zwei Riesen in Polizeiuniformen, wie sie zunächst geglaubt hatte, die sich angeschlichen und ihnen befohlen hatten, sofort aufzuhören, sich anzuziehen und mit ihnen zu kommen.
Ist Ihnen klar, dass dies ein öffentlicher Ort ist? Wissen Sie, dass sich Kinder in der Gegend aufhalten? Wissen Sie, dass Sie gegen das Gesetz verstoßen haben ? Gefolgt von: Wie heißen Sie? Woher kommen Sie? Wo übernachten Sie? Wie alt sind Sie ?
Gott sei Dank waren es nur Park Ranger und keine richtigen Polizisten gewesen. Anstatt verhaftet zu werden, mussten sich Brianne und ihr Freund auf der Fahrt zurück ins Hotel nur eine endlose Moralpredigt anhören. Brianne hatte auf eine möglichst stille und unauffällige Ankunft gehofft, aber das sollte natürlich nicht sein. Ihre Mutter hatte in der Lobby auf sie gewartet, weil Jennifer sie verraten und alles über Tyler ausgeplaudert hatte.
Man konnte sich dieser Tage wirklich auf niemanden mehr verlassen, dachte Brianne und ließ ihren Blick über die um das große Lagerfeuer versammelte Gruppe schweifen. Garys Sohn – Jayden oder Hayden oder Aidan oder Kayden – alberte mit ein paar anderen Nerds herum. Mein Gott, was für ein Idiot, dachte sie und blickte weiter zu James und Melissa. Sie redeten mit ein paar Frauen, die sie bei der Ankunft auf dem Zeltplatz kennengelernt hatten, wahrscheinlich über die fabelhafte Welt des Vintage-Modeschmucks oder etwas ähnlich Aufregendes. Jennifer tat weiter so, als würde sie ihr Buch lesen, während sie bestimmt darüber grübelte, was das Schicksal als Nächstes für sie bereithielt.
Verzeihung, Mrs Rowe , hörte Brianne den Manager sagen. Wir müssen reden .
Oder genauer gesagt musste er reden, wie sich herausgestellt hatte, und sie mussten zuhören.
Wir können uns eine derartige Szene in der Halle unseres Hotels nicht leisten. Wir bewirten eine exklusive Kundschaft, die unangemessenes Verhalten anderer Gäste nicht toleriert. Normalerweise hätten wir nie erlaubt, dass fünf Personen in einem Zimmer übernachten, und diese Ausnahme war von vorneherein auf eine Nacht begrenzt. Es tut mir sehr leid, aber ich fürchte, ich muss Sie bitten, unser Hotel so bald wie möglich zu verlassen .
»Das war’s. Wir fahren nach Hause«, hatte ihre Mutter sofort verkündet.
»Ich fahre mit Tyler«, sagte Brianne, obwohl sie wusste, dass sie es besser nicht drauf ankommen lassen sollte. Was soll’s, dachte sie.
»Du fährst mit Tyler nirgendwohin. Tyler fährt auf der Stelle nach Hause«, ließ ihre Mutter gar keinen Zweifel aufkommen, »es sei denn, er ist scharf auf eine Anzeige wegen Verführung einer Minderjährigen.«
»Was?«, fragte Tyler, und das selbstzufriedene Lächeln in seinem sonnengebräunten Gesicht war augenblicklich verschwunden.
»Hat meine Tochter erwähnt, dass sie erst sechzehn Jahre alt ist?«
»Was?«, fragte Tyler noch einmal.
»Auf Wiedersehen, Tyler«, sagte ihre Mutter.
»Ich ruf dich an«, hatte Brianne ihm zugeflüstert, als er die Hotelhalle fluchtartig verlassen hatte.
Und dann hatte Gary vorgeschlagen, dass sie alle auf dem Campingplatz übernachten sollten, wo er mit seinem Trottel von einem Sohn zeltete. »Es war ein Nachmittag voller Anspannung«, hatte er gesagt. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeiner von euch Lust hat, fünf Stunden mit den anderen in einem engen Auto zu sitzen. Ihr könnt euch ein paar Zelte mieten, wir grillen Hotdogs …«
»Ich ess kein Fleisch«, unterbrach Brianne ihn.
»Dann isst du eben nichts«, fuhr ihre Mutter sie an und nahm
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