Das Herz Des Daemons
nicht das leiseste Geräusch.
»Ich kann allein gehen.«
»Ich weiß.«
»Ich bin kein kleines Mädchen mehr.«
Aus dem Augenwinkel sah er mich an. »Das ist mir durchaus bewusst!« Seine Augen waren hell und quecksilbern. Natürlich. Sonst hätte er deutlich mehr Distanz gewahrt. Aber hatte ich etwas anderes erwartet?
Selbstverständlich war er auf der Jagd gewesen ... Oder vielleicht doch nicht? Immerbin hatte er ja der Pathologie eines Krankenhauses einen illegalen Besuch abgestattet. Er schloss auch meine Zimmertür mit dem Absatz und setzte michauf dem Bett ab. Dann begann er sich auszuziehen.
»Und was wird das jetzt?« Diesmal hob ich eine Braue.
»Versuchst du mich zu verführen, DuCranier?« Es war nicht das erste Mal, dass Julien sich in meiner Anwesenheit auszog, aber - lieber Himmel - im silbrigen Mondschein
war
sein
nackter
Oberkörper
noch
atemberaubender als bei jedem anderen Licht.
»Ich sorge nur dafür, dass du im Bett bleibst.« Sein schwarzes T-Shirt landete auf meinem Rattansessel. Das goldene Medaillon, auf dem der heilige Georg den Drachen mit seiner Lanze durchbohrte und das Julien nie ablegte, glänzte bei jeder Bewegung auf.
Ich musste ein paarmal blinzeln, ehe ich den Blick von seiner bleichen Brust lösen konnte.
»Du bist so unromantisch!«, beschwerte ich mich nach einem tiefen Atemzug mit deutlicher Verspätung.
Seine Finger öffneten den Knopf am Bund seiner dunklen Jeans, während er gleichzeitig die Schuhe abstreifte. »Ts! - Wir haben die Romantik erfunden.«
Ich zwang mich, zu seinem Gesicht aufzusehen. Was nicht gerade hilfreich war, denn seine Züge waren mindestens genauso perfekt wie der Rest seines Körpers. - Nein! Perfekter!
Die Jeans folgte dem T-Shirt.
Ich schluckte. »Du verwechselst Romantik mit Arroganz!« Julien in Boxershorts war ... jenseits jeder Skala. Hatte ich mir eben gerade tatsächlich die Lippen geleckt? O Gott.
In geheuchelter Verblüffung riss er die Augen auf.
»Tatsächlich?« Er entledigte sich der Socken. »Rutsch rüber!«
»Wer hat gesagt, dass du auf die Fensterseite darfst?« Ich`funkelte ihn von unten herauf an.
»Ich!« Er kniete sich aufs Bett, schob einfach die Arme unter mich und hob mich ein Stück weiter in die Mitte. Noch ehe ich mehr herausgebracht hatte als ein protestierendes Quietschen oder gar an meinen Platz zurückkrabbeln konnte glitt er mit der ihm eigenen raubtierhaften Eleganz neben mir unter die Decke.
»Neandertaler!« fauchte ich und versuchte ein Stück von ihm wegzurücken. Er war schneller - natürlich -, schlang seinen Arm um mich und zog mich an sich. Ich spürte seine Brust an meinem Rücken, kühl und hart, mit Seide überzogener Marmor.
»Es tut mir leid, dass ich nicht bei dir war, als du aufgewacht bist. Ich hätte gleich zu dir heraufkommen sollen, aber ich ... na ja, ich habe einen Moment gebraucht, um ...« Sein Atem streifte meinen Hals. »Wie auch immer: Entschuldige!«
Was auch immer ich ihm eben noch hatte an den Kopf werfen wollen, seine Worte nahmen mir jeglichen Wind aus den Segeln. Nach dem, was gestern in der Schule geschehen war, traute er sich selbst noch viel weniger über den Weg, was meine Sicherheit in seiner Gegenwart anging. Es war, als hätte er nach diesem unseligen Zwischenfall im Jungsklo eine Mauer zwischen uns errichtet, die er nur bis zu einem gewissen Grad zu senken wagte. Ein kurzes, scherzhaftes Geplänkel; eine zarte, beinah scheue Berührung; ein flüchtiger Kuss, der nicht mehr annähernd so tief und ausgedehnt war wie früher; mehr ließ er nicht zu. Nun ja, zumindest hatte er heute auf diese bescheuerte Pyjamahose verzichtet. Vielleicht weil ich sie heimlich in die Wäsche befördert hatte?
»Glaubst du, sie wissen schon, dass du nicht mehr in Dubai bist?«
Ich fühlte sein Schulterzucken. Es war nur die Andeutung einer Bewegung. »Aber letztendlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie es herausfinden.« Sein Ton sagte mir ganz klar, dass er nicht weiter über dieses Thema reden würde. Ich schmiegte mich an ihn und legte den Kopf auf seine Brust – und fragte mich unbewusst, was alle Welt nur an diesen Work-outWaschbrettbäuchen fand. Juliens Muskeln zeichneten sich unter seiner Haut nur ganz leicht ab, auch wenn er nicht ein Gramm Fett an sich hatte. Fest und elegant, der perfekt trainierte Körper eines Hochseilartisten. Er verschränkte seine Finger mit meinen, schob den Arm unter meinen Nacken und strich langsam den Teil meines Rückens auf und
Weitere Kostenlose Bücher