Das Herz Des Daemons
wert.«
Ich drehte mich wieder zum Spiegel um, meine Hände strichen über die Seide. »Es ist wunderschön. - Aber ich fürchte, du haltst mich für größer, als ich bin.«
Ein bisschen verlegen zupfte ich das Kleid vom Boden hoch. Hinter mir machte Julien einen Schritt zurück und sah an mir hinab. Dann bückte er sich kurz, und als er wieder auftauchte, hatte er den Saum in der Hand. Er nahm meine Linke in seine und schob eine kleine Seidenschlaufe über meinen Mittelfinger, dann ließ er meinen Arm an meine Seite zurücksinken. Jetzt führte der Stoff in einem eleganten Bogen zu meiner Hand, ohne den Boden weiter zu berühren.
Über meine Schulter hinweg sah er mich im Spiegel an. »Das, mein Schatz, soll so sein.«
Hitze kroch in meine Wangen. Sein Atem streifte die empfindliche Stelle unter meinem Ohr, als er abermals dicht hinter mich trat, über meine Schultern hinweggriff und etwas vor meinem Hals von einer in beide Hände wechselte. Das Etwas glitzerte kurz zwischen seinen Fingern auf, dann schmiegte es sich kalt um meine Kehle: Ein filigranes Halsband, dessen tropfenförmig geschliffene, tiefrot funkelnde Steine auf einem Geflecht aus geschwärztem Silber saßen, das wie Dornenranken gearbeitet war - inklusive winziger Dornen. Bewundernd strich ich darüber. Unter ihm wirkte die Narbe nur noch halb so abstoßend. Meine Hand bebte. So wie sie bei der kleinsten Bewegung blitzten, mussten es SwarovskiKristalle sein. Lieber Himmel, Swarovski-Schmuck war wahnsinnig teuer ... Und Julien hatte das Geld meines Großonkels ausgeschlagen, er bezahlte immense Summen für noch so kleine Hinweise, die ihn vielleicht auf Adriens Spur führen könnten, und dann gab er für mich noch so viel aus? Allein der Stoff für das Kleid musste ein Vermögen gekostet haben.
Unsere Blicke begegneten sich im Spiegel. Julien hakte den Verschluss vorsichtig in meinem Nacken zu, ohne seine Augen aus meinen zu lösen.
»Das kann ich nicht annehmen«, flüsterte ich. Mit sichtlichem Bedauern fuhr er über das Schmuckstück
»Keine Sorge, es ist nicht vonmir.« Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Fürst Vlad hat es für dich geschickt. - Frag mich nicht, woher er vondiesem Halloween-Ball wusste.« Er trat langsam zurück und ich drehte mich um.
»Du bist atemberaubend schön«, sagte er leise.
Meine Wangen schienen endgültig in Flammen zu stehen. Ich schluckte, lächelte hilflos und blickte ihn an. Er war nicht mehr länger nur eine dunkle Gestalt hinter mir im Spiegel, sondern rückte unendlich nah. Jetzt betrachtete ich ihn genauer - und konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu berühren. Sein Hemd war aus schwarzer matter Seide, mit Rüschen am Kragen und an den Armelaufschlägen. Die oberen beiden Knöpfe standen offen, sodass man die goldene Kette um seinen Nacken schimmern sah, an der sein St.-Georgs-Medaillon hing. Es war mit nachlässiger Eleganz in den Bund einer Lederhose von der gleichen Farbe gestopft, die ihm wie angegossen passte und offensichtlich nicht zum ersten Mal getragen wurde. Julien legte den Kopf ein klein wenig zur Seite und quittierte meine Musterung mit diesem Lächeln, das mir regelmäßig eine Gänsehaut bescherte. Betont langsam holte ich Luft. »Du bist aber auch ... WOW!« Sexy, sinnlich und auf eine unterschwellige Art gefährlich, die ihn umso faszinierender machte. Ich räusperte mich und versuchte jegliches Schmachten aus meiner Stimme zu verbannen. »Aber sagt dir der Begriff >Klischee-Vampir< etwas?«
Für eine halbe Sekunde starrte Julien mich an, dann brach er in Gelächter aus. Im nächsten Moment zog er mich an seine Brust und sah auf mich herab. »Ich tue, was ich kann, um nicht aufzufallen. - Hoffentlich verzeihst du mir, dass ich davon abgesehen habe, mir eines dieser Plastikgebisse zu besorgen.« Er grinste verschlagen.
So weit ich konnte, lehnte ich mich in seinen Armen zurück. »Ich denke, auch ohne ist deutlich zu erkennen, als was du dich verkleidet hast.« Wenn Julien wollte, waren seine Reißzähne bedeutend eindrucksvoller als jeder Plastikabklatsch. Ich konnte das bezeugen, ich hatte sie ja bereits aus allernächster Nähe gesehen. »Und was stelle ich dar? Ich meine ... in diesem Kleid ...«
»Du? Ist das nicht ebenso offensichtlich?« Er beugte sich ganz dicht zu mir. »Du bist die unendlich begehrenswerte sterbliche Geliebte dieses KlischeeVampirs«, raunte er mir ins Ohr. »Und diese hübschen kleinen Dornen aus Silber an deinem Hals sollen
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