Das Herz des Ritters
seiner leblosen Gestalt stand Sebastian, das Gesicht von Ruß geschwärzt und mit Blut bespritzt, das schwarze Haar wirr und vom Wind zerzaust. Nie hatte er atemberaubender oder gefährlicher ausgesehen. Er streckte die Hand nach Zahirah aus und betrachtete sie mit festem Blick. »Komm, Mylady. Nimm meine Hand«, sagte er, als sie nicht die Kraft aufbrachte, selbst aufzustehen.
Er half ihr auf die Beine und umfing sie in einer stürmischen Umarmung. Nun konnte Zahirah die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie umklammerte ihn so fest, als wollte sie ihn nie wieder loslassen, vergrub das Gesicht an seinem schmutzigen Seidensurcot und weinte.
»Sei unbesorgt«, beschwichtigte er. Seine tiefe Stimme war Balsam für ihre Seele. »Es ist vorbei, Zahirah. Der Kampf ist beendet. Du bist jetzt bei mir in Sicherheit.«
Immer noch von seinen Armen umfangen, hob Zahirah den Kopf und konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass das Scharmützel tatsächlich beendet war. Die Karawane und ihre Begleiter waren zwar nicht ganz ohne Schaden und Wunden davongekommen, doch nur wenige von Sebastians Männern waren in dem Gemetzel gefallen. Halims Truppe hingegen hatte zweimal so viele Opfer zu beklagen. Einige der überlebenden Assassinen waren geflüchtet, andere lagen verwundet am Boden.
»Es ist vorbei«, sagte Sebastian erneut, zog sie noch näher an sich und küsste sie aufs Haar.
Wie um sein Versprechen Lügen zu strafen, erklang in nicht allzu weiter Ferne das Hufgetrappel eines weiteren Heers. Befürchtend, dass Halim nach Verstärkung geschickt hatte, schrie Zahirah auf; Sebastian jedoch war unbesorgt. Er hob die Hand über die Augen, um bei dem blendenden Sonnenlicht und Rauch besser sehen zu können, und musterte die sich nähernden Reiter. Dann lachte er auf und ließ sich, wie auch die anderen Ritter, auf sein Schwert gestützt, auf ein Knie sinken. In tiefer Ehrfurcht beugten sie die Köpfe, als über zwanzig englische Soldaten herangaloppierten und ihre Pferde vor ihnen zügelten.
Zwei der Reiter trugen große Lanzen mit einem roten Banner, dessen Wappen goldene Löwen schmückten. Wie tanzende Flammen flatterten die dreieckigen Flaggen im Wind und rahmten den Anführer der ihn begleitenden Soldaten mit ihren leuchtenden königlichen Farben ein. Zahirah bestaunte die prunkvolle Kleidung des Mannes, der an der Spitze der Truppe ritt. Als der breitschultrige Ritter seinen kronengleichen Helm und die Bundhaube ablegte, kamen eine Mähne hellbraunes Haar und strenge, Ehrfurcht gebietende Züge zum Vorschein.
»Eure Majestät«, grüßte Sebastian und neigte respektvoll den Kopf.
Fragende blaue Augen blickten sie an, und Zahirah fand sich unvermittelt Richard Löwenherz höchstpersönlich gegenüber – dem Mann, den sie zu töten geschworen hatte.
19
»Offenbar kommen wir zu spät, um Euch zu unterstützen«, sagte der englische König mit leicht bedauernder Stimme. Er sah dabei Sebastian an, der sich neben Zahirah zu voller Größe aufrichtete, den Rücken durchgedrückt, die breiten Schultern stolz gestrafft. »Ihr habt meine Vorräte gut beschützt, Montborne. Ich bin voll des Lobes für Eure Dienste. Wie immer habt Ihr mich nicht enttäuscht.«
Sebastian erwiderte das Lächeln des Königs. »Ich fühle mich geehrt, Euch zu Diensten gewesen zu sein, Sire.«
»Assassinen, nicht wahr?«
»Ja, Sire. Schergen des Alten vom Berge.«
Der König schnalzte mit der Zunge. »Feiges Gewürm«, knurrte er. »Welchen von ihnen verdächtigt Ihr des Anschlags auf mich vor einigen Wochen?«
»Ihr Anführer ist dort drüben«, antwortete Sebastian und deutete auf Halims leblosen Körper. »Er hat vor einigen Tagen auch Abdul getötet.«
Der König gab einen grunzenden Laut von sich und presste die Lippen zusammen. »Und das?«, fragte er und schaute erneut Zahirah an. »Haben wir eine hübsche kleine Sklavin unserer ungläubigen Angreifer zur Gefangenen gemacht?«
»Nein, Mylord«, antwortete Sebastian und legte schützend den Arm um Zahirah. »Das ist Lady Zahirah. Ihr haben wir es zu verdanken, dass wir auf diesen Überfall vorbereitet waren.« Er senkte den Kopf, blickte sie an und fügte hinzu: »Sie hat ein großes Risiko auf sich genommen, um mir die Warnung zu überbringen. Ich bin ihr zu größtem Dank verpflichtet und stehe tief in ihrer Schuld.«
Löwenherz’ braune Brauen hoben sich leicht. »Tatsächlich? Nun denn, Montborne, darüber würde ich gern mehr erfahren. Vielleicht wird mir die Dame die
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