Das Herz des Ritters
Blicken an.
»Sebastian, pass auf!«, rief sie, aber er hatte die Gefahr bereits erkannt, warf die nutzlose Armbrust fort und griff nach seinem Schwert.
Mit teuflischem Gebrüll zog er die tödliche Klinge aus der Scheide und streckte einen der kreischenden Assassinen mit einem einzigen Streich nieder. Der andere holte zum Schlag mit dem Streitkolben aus und hätte damit wohl Sebastians Arm zertrümmert, wenn Logan ihm mit seiner Armbrust nicht im letzten Moment den Garaus gemacht hätte.
Blut färbte die Straße rot, und Zahirah konnte den Anblick des Gemetzels kaum noch ertragen. Als sie sich von dem Blutbad abwandte, vernahm sie über den Schlachtenlärm hinweg eine dünne Stimme vom hinteren Ende der Karawane.
»Herrin … Herrin, bitte! Helft mir!«
Sie folgte der Stimme mit ihren Augen und entdeckte in den Rauch- und Staubschwaden das von Schmerz gepeinigte Antlitz des Karawanenführers. Der alte Mann war unter dem Gewicht eines toten Kamels und seiner Last gefangen.
»Helft mir, Herrin, ich bitte Euch …«
Zahirah warf einen Blick über die Schulter zu Sebastian, der mit den anderen Männern kämpfte. Er hatte sie angewiesen, bei ihm zu bleiben, doch er würde wohl sicher nicht erwarten, dass sie müßig zuschaute, wie dieser Mann starb, wenn sie ihm vielleicht helfen konnte. Und selbst wenn es so war – ihr Gewissen würde dies niemals zulassen. Sie sprang vom Pferd und ging zu dem alten Mann.
»Kann nicht … aufstehen«, keuchte er. »Schmerzt … beim … Atmen.«
Zahirah spähte durch den dichten Nebel des brennenden Grases. Es stand nicht gut um den armen Mann. Das Kamel hatte ihn bis zur Hüfte unter sich begraben und vermutlich beim Fall mehrere lebenswichtige Organe zertrümmert. Allein würde sie das riesige Tier niemals von ihm fortschaffen können, aber sie bezweifelte, dass das noch lange von Bedeutung sein würde. Der alte Mann hustete Blut, das ihm in einem dünnen Rinnsal aus dem Mundwinkel floss, als sie vorsichtig seine Rippen abtastete.
»Meine … Beine«, flüsterte er. »Sind sie … gebrochen?«
»Nein«, log sie. Das Lächeln, mit dem sie ihn zu beschwichtigen suchte, zitterte ein wenig, als sie ihm in die fragenden, angsterfüllten Augen blickte. »Sprecht jetzt nicht. Versucht Euch auszuruhen. Der Schmerz wird bald überstanden sein.«
Er nickte matt und schloss die Augen. Kurz darauf tat er einen tiefen, rasselnden Atemzug und rührte sich nicht mehr.
»Allah schütze Euch«, flüsterte Zahirah. »Möge Eure Seele in Frieden ruhen.«
Sie stand auf und drehte sich, mit der Absicht, wieder auf ihr Pferd zu steigen, um. Doch unversehens fand sie sich einem kalten sarazenischen Augenpaar gegenüber, das finster und verächtlich auf sie herabblickte. Die gebogene Klinge eines Krummsäbels schwebte vor ihrer Brust.
»Halim«, brachte sie erstickt hervor, und ihre Hand glitt zu ihrem Hosenbund, um nach dem versteckten Dolch zu greifen. Zu ihrem Entsetzen musste sie jedoch feststellen, dass sie ihn in ihrer Hast, Sebastian vor dem Hinterhalt zu warnen, im Palast vergessen hatte.
»Du verräterische Schlampe!«, giftete Halim. Die arabischen Worte waren schmerzlicher für ihre Ohren als der Schlachtenlärm, der durch den Rauch zu ihnen herüberdrang. »Du hast ihm gesagt, dass wir hier auf ihn warten würden! Du hast das englische Schwein gewarnt.«
Zahirah machte sich nicht die Mühe, es abzustreiten. Um sie herum kämpften Halims Soldaten gegen Sebastians Trupp schwer bewaffneter Männer. Das geplante Massaker aus dem Hinterhalt war zu einem ebenbürtigen Kampf geworden – mehr als ebenbürtig, denn obwohl die Angreifer in ihrer Zahl weit überlegen waren, gelang es den Engländern und ihren schweren Rössern allmählich, sie zurückzutreiben.
Halim sah allerdings nicht so aus, als wollte er zurückweichen. Im Gegenteil. Mordlust in den Augen, kam er durch den mit Asche erfüllten Rauch auf sie zu, sodass sie zurückweichen musste, um seiner Klinge zu entgehen. Sie stolperte über das tote Kamel und konnte sich gerade eben noch fangen, als Halim ihr die rasiermesserscharfe Klinge seines Krummsäbels unter das Kinn legte und sie so zwang, sich aufzurichten.
»Ich hätte wissen müssen, dass man dir nicht trauen kann«, höhnte er. »Du bist zu schwach für diese Mission. Du bist kein Assassine.«
Zahirah schluckte schwer, bemüht, ihrer Stimme trotz Halims kalter, grausamer Klinge an ihrer Kehle einen festen Klang zu geben. »Ich bin mehr Assassine, als du
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