Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle - Die drei Säulen der Transformation

Kannst du das?«
    Sie schütteln nur den Kopf: »Vergebung schon gar nicht. Es tut mir leid, aber ich bin einfach nur ehrlich.«
    Die Lehrerin hält einen Moment inne und fragt dann mit sanfter Stimme: »Kannst du dich dann auf eine Person oder auch nur eine Sache auf der ganzen Welt besinnen, für die du dankbar bist? Nur eine einzige?«
    Nun halten Sie einen Moment inne. Dann sehen Sie das Gesicht einer Person vor sich, die Sie sehr lieben, die nur gut zu Ihnen gewesen ist, eine Person, die in Ihren schlimmsten Zeiten für Sie da war. Ihnen wird bewusst, dass Ihnen sogar in Ihrem gegenwärtigen wuterfüllten Zustand die Gestalt dieser geliebten Person vor dem inneren Auge erscheint. Sie lassen es nur widerwillig zu, doch nicken langsam mit dem Kopf. »Ja, ich denke jetzt an jemanden.«
    Die Lehrerin fährt fort: »Stell dir vor, dass diese Person vor dir sitzt und dich anlächelt. Lass dich die Dankbarkeit fühlen, die du für sie empfindest, und strahle diese Dankbarkeit zu ihr aus. Strahle deine Dankbarkeit in ihrer ganzen Tiefe ohne Worte zu ihr aus, so dass sie weiß, was du für sie empfindest. Stell dir vor, wie sie dies empfängt – und dir treten Tränen in die Augen.«
    Diese Vorstellung lässt Ihr Herz vor Dankbarkeit schier bersten, und in diesem Moment füllt sich Ihr Herz mit Liebe und Respekt für diese geliebte Person. Nun sitzen Sie voller Liebe und Demut da, statt von Wut erfüllt zu sein. Die Wut wurde aufgelöst und durch eine höhere Emotion ersetzt.
    Diese Technik wende ich bei meinen Schülern fast jeden Tag an. Auf diese einfache Weise lässt sich binnen Minuten Wut und Aufgebrachtsein in tiefe Dankbarkeit umwandeln. Es ist eine Technik, die uns für den Rest unseres Lebens vierundzwanzig Stunden am Tag zur Verfügung steht. Sie ist eines der machtvollsten Instrumente, die wir besitzen. Werden Sie sich dazu entscheiden, es einzusetzen?
    Sie brauchen bei dieser Praxis nur das Gesicht einer Person (oder eines Wesens) zu finden, das für Ihre Freude unentbehrlich ist – ob es die Augen Ihres Kindes sind oder Ihr Bild von Gott ist –, um Ihre Gemütsverfassung zu verändern: vom veritablen Höllenzustand in einen Zustand des Erfülltseins und inneren Friedens. Wenn sich ein düsteres Herz mit Dankbarkeit füllt, folgen Liebe und Demut augenblicklich nach, und das Herz wird erhellt. Deshalb ist es fast unmöglich, Wut und Dankbarkeit zugleich zu empfinden.
    Ihrer Dankbarkeit wohnt eine Ihrer stärksten Kräfte inne, denn nur wenn Sie zur Dankbarkeit finden, fangen Sie an, befreit zu werden. Dankbarkeit macht Sie demütig, und diese Demut ermöglicht Ihnen das Vergeben. Der Vergebung entspringen Verständnis, Mitgefühl und Liebe, und in der Liebe werden wir befreit. Ob wir es nun Christusbewusstsein, Buddhabewusstsein oder die Vision von Allah nennen – besinnen wir uns auf unsere allertiefste Dankbarkeit und vergeben wir denen, die die ihre vergessen haben.
    Übung
    Absolvieren Sie täglich die oben beschriebene Praxis »Finden Sie Ihr Zentrum der Dankbarkeit«. Denn das menschliche Herz kann nicht gleichzeitig Dankbarkeit und negative Gefühle hegen. Aus der Dankbarkeit gehen die Freude und alle anderen Tugenden hervor.
    Das Herzzentrum
    In dieser Welt gehört uns im Grunde nichts. Alles, was unser Eigen ist, ist in unserem Herzzentrum oder in unserer Herzmitte enthalten. Spiritualität ist letztlich eine mystische Erfahrung und keine wissenschaftliche Angelegenheit. Im Herzzentrum bewahren wir alle unsere Schätze auf, es ist das Behältnis dessen, was wirklich unser Eigen ist. Alles, was sich außerhalb des Herzzentrums befindet, gehört uns nicht. Es geht vorüber, ist vergänglich. Doch alles, was das Herzzentrum in sich birgt, ist wirklich. Die Liebe, die wir für andere empfinden, die Liebe anderer für uns, alles das wohnt dem Herzzentrum inne. Es ist der Ort, an dem wir manchmal den größten Schmerz erfahren, aber es ist auch die Quelle, aus der die bedingungslose Liebe fließt – der Freude, Dankbarkeit, Vergebung und Mitgefühl entspringen.
    Das Herzzentrum ist kein physisches Organ, das in unserer Brust schlägt; es ist der Tempel unserer höchsten Gefühle und auch unseres höchsten Selbst. Es wird vorrangig im Brustbereich wahrgenommen oder erlebt, und deshalb ist die Brustregion auch der am schwierigsten zu öffnende Körperbereich. Hier befindet sich der Sitz unserer Gefühle und Erinnerungen. Jede spirituelle Heilung schließt auch das Herzzentrum ein. Hier leben wir in