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Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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braucht jemanden, der ihm hilft, seinen Kühler zu reparieren. Ich führe ihn ins Dorf. Dann kann ich auch das Lamm zurückbringen.« Er zeigte auf die rechte Tür im Flur. »Das Labor ist dort. Bitte, schauen Sie sich um. Leider ist mein Assistent in Arusha, deshalb werden Sie ganz allein sein. Aber ich komme so schnell wie möglich zurück.« Er hob das Lamm über seinen Kopf und legte es sich vorsichtig um die Schultern. Mit den Händen hielt er Vorder- und Hinterläufe fest, so dass das Tier nicht herunterrutschen konnte.
    Als die beiden Männer weg waren, ging Emma zum Labor und öffnete die Tür. Helles Sonnenlicht fiel in den Flur. Der vertraute Geruch nach Chemikalien hing in der Luft.
    Sie ließ ihre Schultertasche zu Boden gleiten und blickte sich im Raum um. Das Licht drang durch zwei Fenster, eines an der Vorderseite des Gebäudes, eines an der Seite. Auf einer Arbeitsplatte an der Tür stand ein Sterilisiergerät: ein luftdicht verschlossener Glasbehälter mit zwei Löchern vorn, in die gelbe Gummihandschuhe eingepasst waren. Daneben war ein großes Porzellanbecken, über dem ein Spiegel hing. In einer Ecke des Raums stapelten sich Drahtkäfige in unterschiedlichen Größen. In einer anderen Ecke stand ein seltsames Gebilde mit einem Vorhang, das vielleicht einmal zu Lagerzwecken gedient hatte. Am Fenster befand sich ein weiterer Arbeitstisch mit einem zerschrammten Stuhl.
    Emma trat an den Arbeitstisch, auf dem eine Ansammlung kleiner Schachteln stand, die Tupfer, Objektträger, Probenröhrchen, Wegwerfhandschuhe enthielten – die ganze Standardausrüstung. Dazwischen ragte ein Glas mit ungewöhnlich rosa Blüten hervor, die aus fleischigen Stengeln ohne Blätter wuchsen.
    Emma legte die Hände auf die Rückenlehne des leeren Stuhls. Sie besaß zu Hause Fotos von ihrer Mutter, die sie bei der Laborarbeit zeigten – sie wusste, was Susan angehabt und wie sie ausgesehen hatte. Emma war froh, dass sie allein war. So konnte niemand sie stören, als sie sich darauf konzentrierte, das Bild ihrer Mutter heraufzubeschwören, wie sie vor all den Jahren hier an diesem Schreibtisch gesessen hatte.
    Sie sah Susan in einem grünen Laborkittel, mit glänzender Plastikschürze und mit weißen Gummischuhen an den Füßen. Ihre langen dunklen Haare hatte sie zurückgebunden, so dass man ihr schmales Gesicht sah – die dunklen Schatten unter den Augen, die konzentriert gerunzelte Stirn. Auf dem Tisch vor ihr lagen Objektträger und Probenröhrchen. Es war schon spät am Tag, und die tiefstehende Sonne warf ihre Strahlen durchs Fenster. Sie hielt eine Spritze in einer Hand, deren Kammer mit dunklem Blut gefüllt war. In der anderen Hand hielt sie die Kappe, mit der sie die Nadel verschloss, damit sie sie sicher entfernen konnte.
    Vorsichtig schob sie die Nadel auf die Kappe zu. Es war eine Routinearbeit, die sie Dutzende Male am Tag vornahm. Dieses Mal jedoch blendete sie etwas, oder sie war zu müde, um sich richtig zu konzentrieren, oder etwas störte sie …
    Sie keuchte auf, als die Nadel in ihren Daumen stach. Sie riss den Handschuh herunter, hielt ihn ans Licht, in der Hoffnung, dass er unversehrt wäre, dass die Nadel nicht wirklich hindurchgedrungen wäre – aber dann erfasste eine Welle des Entsetzens sie, als sie das winzige Einstichloch sah. Voller Panik wusch und desinfizierte sie sich die Hände, drückte Blut aus der kleinen Wunde. Aber Susan wusste, dass es vergeblich war. Wenn sie sich schützen wollte, müsste sie jetzt auf der Stelle ihren Daumen abschneiden. Andererseits war das Blut in der Spritze noch nicht getestet. Vielleicht war es ja gar nicht mit dem Virus infiziert. Susans Kollege wollte im Dorf Proben nehmen. Sie war allein mit ihrer Qual. Sie griff nach dem Skalpell, wobei sie die Hand benutzte, die sie verstümmeln wollte.
    Aber dann änderte sie ihre Meinung. Sie beschloss, einfach nur zu warten und das Beste zu hoffen.
    Vier quälende Tage lang arbeitete Susan weiter, jede Minute in der Angst vor dem ersten Anzeichen der Krankheit. Und dann bekam sie leichte Halsschmerzen. Innerhalb weniger Stunden, das wusste sie, würde sie gefährlich krank sein. Es gab keine Behandlung für die Seuche, und weniger als zwanzig Prozent aller Infizierten überlebten sie. Innerhalb von Tagen würde sie den gleichen qualvollen Tod erleiden, den sie so oft schon bei anderen erlebt hatte.
    Sie würde diesen Ort nicht mehr verlassen. Sie würde ihren Mann und ihr Kind nie mehr wiedersehen.
    Emma

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