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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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registrierten, als müsse er darüber berichten, lag er da und wartete auf die eigene Antwort. Er spürte sich atmen und wußte genau, daß die stumpfe Hohlheit seines Körpers ein Schmerz war. Ein Schmerz, der nur noch nicht vorgedrungen war bis zur Spürbarkeit, ein Schmerz, der schon da war, aber noch nicht wahr. Oder schon wahr, aber noch nicht da.
    »Nein«, hörte er sich endlich sagen, »ganz bestimmt sollen wir nicht.«
    Es tat ihm weh, Laura zu demütigen. Er glaubte zu wissen, wie sie sich fühlte, da er sie mit seiner Ablehnung vor ihr, Bo und sich selber bloßstellte. Das Nein erst machte die Idee zur Grobheit. Er konnte sie nicht ansehen. Jetzt endlich kam auch der Schmerz, kamen Übelkeit, Atemnot und ein Gefühl, als erkalte seine Haut. Nur die Haut. Er stand auf und packte seine Kleider, sagte »Ich bin weg« und ging ins Wohnzimmer hinunter, wo er sich anzog.
    Was für ein Gefühlsmatsch, dachte er. Sie will mit Bo schlafen, und ich zerbrösele vor Schreck. Und schäme mich dafür. Er hörte ihre Schritte auf der Treppe, stand auf und ging schnell nach draußen. Er hätte keinen klaren Satz herausgebracht.
    In einem Brief, zwei Tage später, entschuldigte er sich bei Laura, schrieb, er schäme sich, sie so sitzengelassen zu haben, und versuchte, ihr zu erklären, was in ihm vorging. Ihre Antwort war kurz und herzlos. Er solle sich nicht mehr blicken lassen. »Man geht von mir nicht mitten im Satz weg und läßt mich mit dem Spinner allein.« Sie mußte tief verletzt sein. Von der Verletzung, die sie ihm zugefügt haben könnte, schrieb sie nichts. Offenbar war sie zu wütend, um an ihn zu denken.
    Ihrem Brief lag seine Zahnbürste bei, und einige Tage später kam ein Paket mit Büchern. Er warf seinen Hausschlüssel eines Nachts in ihren Briefkasten und bewarb sich für eine Zivildienststelle, so weit weg von zu Hause wie möglich.
    Paul schrieb er einen Brief nach Südfrankreich. Deine Tochter ist ebenso blöd wie schön wie klug wie sauer auf mich. Ich selbst bin leider nur blöd, hoffe aber, daß Du mich trotzdem noch magst, Dein Giovanni.
    Pauls Antwort lautete: Ihr macht Eure Dummheiten gefälligst alleine. Du bist mir immer willkommen, wenn Du Dich anmeldest. Unsere Liebste möchte Dir nicht begegnen. Wenn Du willst, schreib ich Dir ab und zu, daß es ihr gutgeht und daß ihr jeweiliger Freund Dir nicht das Wasser reichen kann.
    Giovanni antwortete: Ja bitte, Du Grobian.
    Eine Weile schob sich Lauras Bild vor jede Frau, der er sich nähern wollte. Es war sogar für kurze Zeit, bis zum erneuten Verblassen, wieder in Suzanne zurückgekehrt. Immer wieder sagte sich Giovanni: Ich werde jetzt alle Frauen haben, alle außer ihr, aber Lauras forschender Blick und der Klang ihrer letzten Frage waren wie ein Nebel zwischen anderen und ihm. Er hatte weder sie noch alle Frauen. Nur wieder mal ein Hirngespinst.
    Von Bo, dem er diesmal nicht verzieh, hörte er nichts. Manchmal dachte er, irgendwann kommt Post mit einem Finger oder etwas in der Art, aber die Erwartung verlor sich nach und nach, so wie auch der Schmerz über Lauras Verlust verging.
    Was blieb, war das Gefühl, eine einmalige Chance verpaßt zu haben, und die Erwartung, daß kein Mädchen, keine Frau, kein Abenteuer es je mit Laura würde aufnehmen können.
    Ernsthaft, fast wütend stürzte er sich in die Arbeit, als er Stefan kennengelernt hatte. Er schrieb und schrieb und lernte bald, griffig und kurz zu formulieren. Als er schließlich bei der Tanzband einstieg, wurde die Arbeit im Kinderheim so nebensächlich wie Zähneputzen, Brötchenholen oder ein täglicher Abwasch.
    Als Mitglied der Tanzband hatte er es leicht, Eroberungen zu machen. Am laufenden Band. Ich bin wie Bo, dachte er manchmal, wenn er den verschiedensten Mädchen und Frauen in ihre Zimmer folgte, nur mit dem Unterschied, daß Bo sich jedesmal verliebt und ich sie nur alle benutze.
    Mit einer erstaunlichen Sicherheit des Instinkts hielt er sich fern von Mädchen, die er mochte. Er reagierte abweisend, sobald sich die Grenzen der Beliebigkeit zu verwischen drohten. Später, unterwegs mit Stefan, war es noch einfacher, von Bett zu Bett zu springen, nur begegnete er viel öfter Mädchen, die er gern hatte, als solchen, die auszunutzen ihm nicht schwerfiel.
    Nach zwei Jahren, als schon über den Plattenvertrag verhandelt wurde, fand Giovanni durch Filme und eigenes Nachdenken heraus, daß er sich kitschig, mies und lächerlich benahm. Er machte Schluß mit dem herzlosen Gebrauch

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