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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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Schatten über mich hinweg.
    Der Engel. Sechs, sieben Meter vom Balkon entfernt flog er träge Kreise. Wilson starrte ihn an. Die Züge seines langen Gesichts waren schlaff vor Verblüffung. Ich hob die Pistole und schoss. Die Kugel traf den Engel, entlockte ihm eine verächtliche, finstere Miene. Ich feuerte wieder und wieder. Die Hitze floss aus meinem Kopf ab, mein Arm verwandelte sich in Flusslehm. Der Engel beobachtete mich, wartete ab. Der Hahn klickte auf ein leeres Patronenlager. Ich stützte mich auf die Brüstung und schaute hinab. Es ging weit in die Tiefe. Wilson stand mit gezückten Messern zwischen uns. Ich hievte erschöpft ein Knie auf die Brüstung und begann, über sie zu klettern.
    Hinter mir öffnete sich die Tür – das Schloss leistete kaum Widerstand. Ordnungshüter, deren Kurzgewehre im Sonnenschein schwarz glänzten. Sie sahen erst Angela an, von deren Lippen Blut tropfte, dann mich. Ich setzte zum Springen an. Wilson war doch ein geschickter Kletterer, richtig? Er würde dafür sorgen, dass ich wohlbehalten unten ankäme. Oder?
    Der Engel traf mich hart und brüllend. Kugeln zischten an mir vorbei, als die Ordnungshüter in blinder Panik feuerten. Heiße Linien rasten über meine Brust, dann rollte ich mich auf die Füße. Wilson zerrte mit blutverschmiertem Gesicht an meinem Ärmel. Ein Messer hatte er weggesteckt, vom anderen tropfte metallisches Blut. Die Ordnungshüter waren über den Engel hergefallen. Er richtete sich auf und schüttelte sie mit grausamer Erhabenheit ab. Wilson und ich preschten zur Tür und stolperten in einem Gewirr von dünnen Armen und kraftlosen Beinen die Stufen hinunter. Der Engel folgte uns, seine Schwingen schabten über die engen Wände.
    Ich lief unseren vorherigen Weg zurück und stieß auf die Geheimtür, durch die Angela uns geführt hatte. In meinem Kopf dröhnte das knirschende Pochen meines Herzens. Blut trat aus meiner Brust aus, vermischt mit dem öligen Schleim meines Sekundärbluts. Ich fing an zu husten und konnte nicht mehr aufhören. Wilson schlang einen Arm um mich, trug mich regelrecht hinunter. Ich sank auf den Boden des Geheimgangs und übergab mich. Wilson lief indes nervös neben mir auf und ab. Er redete, aber ich konnte nicht hören, was er sagte. Schließlich stand ich auf und setzte den Weg fort. Ich roch weiteren Rauch, doch das konnte auch von mir selbst ausgehen. Im Mund hatte ich den Geschmack von Asche. Wilson sah mich immer wieder beunruhigt an, eilte ein Stück den Korridor entlang voraus und kam anschließend zurück, um sich zu vergewissern, dass ich mich noch bewegte. Zweimal passierten wir Leichen – Ordnungshüter, die Wilsons Messer zum Opfer gefallen waren. Den Engel hörte ich nicht mehr hinter uns.
    Wilson blieb an dem Gang stehen, wo Angela innegehalten hatte. Er lehnte mich gegen die Wand, beugte sich zu meiner Brust hinab und betastete sie stirnrunzelnd. Vom Metall meines Herzens stieg tatsächlich Rauch auf, der in öligen Schwaden aus meinem Mund strömte.
    »Du siehst übel aus, Junge.«
    »Ja. Fühl mich auch so.«
    »Viel weiter können wir nicht. Das Esszimmer strotzt vor Häuslern. Anscheinend hat dieser Harold doch noch sein Rückgrat gefunden.«
    »Wurde auch Zeit.« Ich hob das Mechagen an und drückte es gegen Wilsons Brust. »Verschwinde, Insekt. Finde heraus, was das ist und was sie damit wollen.«
    Er nahm das Mechagen entgegen und betrachtete es. Seine Augen wirkten wie die eines Kindes, voller Ehrfurcht und Erstaunen. Schließlich schüttelte er den Kopf und steckte das Mechagen zurück in meine Tasche.
    »Noch nicht.« Er nickte die Treppe hinunter. »Was ist dort?«
    »Der Alte«, antwortete ich.
    »Scheint mir ein ungewöhnlicher Ort zu sein, um seine älteren Mitbürger unterzubringen.«
    »Er ist auch ein ungewöhnlicher älterer Mitbürger.« Ich fühlte mich ein wenig besser. Der Rauch war weniger geworden. Das gefiel mir nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, dass je zuvor Rauch aus mir gedrungen war. Ich spuckte aus und richtete mich auf. »Kommt mit. Vielleicht gibt es hier hinten noch einen anderen Weg.«
    »Gibt es nicht«, klärte mich Wilson auf. Er packte mich am Arm und zog mich zur Treppe. »Das ist der einzige Weg.«
    »Tja, dann nehmen wir eben den.«
    Wir stiegen die Treppe hinunter. In der Ferne konnte ich hinter uns wieder den Engel hören, der Vasen zerschmetterte und Möbel zertrümmerte. Er suchte nach dem Eingang zum Geheimtunnel. Wilson zog mich schneller vorwärts, und

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